"Keine Sorge um den Standort"

Mitarbeiter reagierten zuletzt empört auf die teilweise Übernahme der Linzer VAI durch die Japaner. Doch ist bei Weitem nicht jede Investition aus dem Ausland eine Bedrohung für den Standort
Weniger Bedrohung, dafür mehr Chancen ortet Ökonom Bekkers für die heimische Wirtschaft.

Die Abwanderungsdrohungen der voestalpine und der Teilverkauf der Siemens VAI an den japanischen Mitsubishi-Konzern gossen zuletzt Feuer in die schwelende Debatte rund um die heimische Standortattraktivität. Für Industrie-Bosse schrillen schon seit Längerem die Alarmglocken. Sie orten eine massive Gefahr und fordern eine ehestmögliche eine Änderung der Rahmenbedingung durch die Politik. Doch nicht alle Experten teilen diese düstere Sichtweise.

"Die aktuellen Standortdiskussionen sind nichts Neues. Für mich gibt es keine Anzeichen zur Sorge, da sich der Abwanderungsprozess in den letzten 15 Jahren hierzulande nicht wirklich beschleunigt oder grundsätzlich verändert hat", meint der aus Holland stammende Ökonom Eddy Bekkers, der an der Linzer Johannes Kepler Uni im Bereich Internationale Investitionen forscht. Zieht ein Betrieb weg, dann sorge das für großen medialen Rummel, dagegen wird den vielen Investitionen, die auch nach Oberösterreich kommen, verhältnismäßig wenig Beachtung geschenkt.

Milliardeninvestitionen

Ein Blick in die Statistik der Österreichischen Nationalbank (OeNB) erhärtet Bekkers Sichtweise: So stieg etwa die Summe der Direktinvestitionen aus dem Ausland in Oberösterreich vom Jahr 2000 bis 2011 von 4,5 auf satte 13,5 Milliarden Euro. Damit liegt Oberösterreich unter den Ländern vor Niederösterreich (10,5) klar auf Platz eins. Laut OeNB-Aufzeichnungen kumulierten sich die durch ausländische Direktinvestitionen geschaffenen Arbeitsplätze in Oberösterreich auf mehr als 41.500 Jobs. Alleine im vergangenen Jahr begleitete die Ansiedelungsgesellschaft TMG 65 Unternehmen, die exakt 769 Arbeitsstellen in das Land ob der Enns brachten.

Positives aus China

Für einen Aufschrei hatte 2009 etwa auch die Übernahme des Innviertler Flugzeugteilehersteller FACC durch die chinesische Avic gesorgt. Statt die Produktion ins Reich der Mitte zu holen wurden der Sitz in Ried enorm ausgebaut und Hunderte neue Mitarbeiter eingestellt. Alleine heuer sollen bei FACC rund 90 Millionen Euro in die Stammwerke in Ried und Reichersberg fließen.

"Keine Sorge um den Standort"
EDDY BEKKERS
Natürlich verschiebe sich laut Bekkers der wirtschaftliche Mittelpunkt der Welt nach Asien. Doch auch hier ergeben sich zwei Sichtweisen. "Durch steigende Löhne in China sinkt der Anreiz für Unternehmen dort billig zu produzieren. Andererseits bekommt der Markt durch die anwachsende Kaufkraft eine gewisse Masse, die sehr attraktiv ist", analysiert der Ökonom. Nun komme es darauf an, ob die immer komplexer werdenden Produktionsnetzwerke heimischer Unternehmen überhaupt nach China verlagert werden können.

Zudem wäre ja auch der Binnenmarkt der Europäischen Union mit mehr als einer halben Milliarde Einwohner nicht gerade uninteressant. "Die gesamte Europäische Union ist wirtschaftlich sogar größer als die USA. Wir haben hier vor Ort wichtige und gut funktionieren Produktionsketten. Das ist ein große Chance", findet Bekkers. Die USA können wiederum derzeit, bedingt durch das umstrittene Schiefergas, nur mit billiger Energie punkten. Von zu großen Zugeständnissen im Rahmen der Standortauswahl seitens der Politik an die Betriebe hält Bekkers übrigens wenig. "Im allgemeinen ist ein niedriges Steuerniveau natürlich positiv, keine Frage. Aber viele Studien zeigen, dass bestimmte Steuerzuckerln an investitionswillige Unternehmen letztlich zu viele Kosten für den Staat verursachen." Viel wichtiger für die Standortqualität seien gut ausgebildete Mitarbeiter, Infrastruktur und Arbeitsklima.

Und selbst wenn andere Länder billiger produzieren und ökonomische Aktivität übernehmen, werden wir laut Bekkers durch niedrigere Preise letztlich auch davon profitieren. "Vorübergehend würde die Arbeitslosenquote ansteigen und damit das Lohnniveau senken. Das kurbelt die Wirtschaft an und das Gleichgewicht pendelt sich wieder ein."

Kommentare