GTI-Wahnsinn: Erzürnte Bürger sperren Straßen

ARCHIVBILD: GTI-TREFFEN AM WÖRTHERSEE
Lärmgeplagte Anrainer fordern mehr Polizeipräsenz, um PS-Fans wochenlang einzubremsen

Auf den Betonbarrieren, die aktuell rund um Velden das „Wildparken“ am Straßenrand verhindern sollen, werden ab diesem Wochenende wieder die GTI-Sympathisanten Platz nehmen und im Rahmen der unzähligen Vortreffen die vorbeifahrenden PS-Piloten anfeuern. Künftig könnten an gleicher Stelle jedoch Anrainer auf der Straße sitzen und selbige blockieren, denn eine Bürgerinitiative fordert vergebens eine Aufstockung der Polizeipräsenz für die Zeit der Exzesse und Krawalle, die erst mit dem Hauptevent in Reifnitz am 12. Mai endet.

An den vergangenen Wochenenden hätten die „GTI-Hooligans“ bereits in Velden gewütet, sagt Valentin Wedam, Sprecher der Bürgerinitiative „Pro Selpritsch“. Selpritsch bei Velden ist einer der Hotspots, die alljährlich im April zur gesetzlosen Zone werden. Top-Speed-Sessions, quietschende Reifen, absichtlich herbeigeführte Fehlzündungen charakterisieren diese Tage der von Privatpersonen über soziale Netzwerke organisierten Meetings. Weil bis zum offiziellen Treffen in Reifnitz (heuer vom 9. bis 12. Mai) für die tausenden Besucher rund um den Wörther- und Faaker See nicht einmal mobile WC-Anlagen aufgestellt werden, hatte Ex-Umweltlandesrat Rolf Holub das Problem der Hygiene angesprochen und die Vortreffen mit der Cholera verglichen.

Der Bürgerinitiative geht es primär um die gesundheitsgefährdende Lärmbelastung (siehe Zusatzbericht rechts). „Im Sinne unserer Gesundheit müssen Gesetze eingehalten werden. Doch während die Veranstaltung immer exzessiver wird, fehlt es an Einsatzkräften, um die Rowdys in die Schranken zu weisen“, betont Wedam. Sollte der Polizeiapparat nicht dauerhaft stark aufgestockt werden, werde es Sitzstreiks und Straßensperren geben. „Immer mehr Gleichgesinnte aus anderen Gemeinden, schließen sich uns an. Wir können mehrere Straßen blockieren“, droht er.

Mobile Einheiten

Wie viele Polizisten für die Vortreffen bereitgestellt werden, will man bei der Exekutive „aus polizeitaktischen Gründen“ nicht bekannt geben, betont Polizeisprecher Mario Nemetz. Er sagt lediglich: „Wir gehen auf die Bedürfnisse der Anrainer ein, werden ab diesem Wochenende lagebedingt auch mobile Einheiten aus den Bezirken zu den Brennpunkten lotsen und die sozialen Netzwerke beobachten, wo sich die GTI-Fans verabreden. Aber eine lückenlose Überwachung über mehrere Wochen ist nie möglich, zumal sich die Leute vom Faaker See bis Klagenfurt/Viktring verstreuen.“

Videoüberwachung

Zusätzliche Bemühungen der Behörden, die PS-Freaks ruhig zu stellen, gibt es – allerdings stets mit dem Nebeneffekt, dass in Sachen Umsetzung wieder die Polizei zum Handkuss kommt: Die Bezirkshauptmannschaft Villach-Land wird den GTI-lern heuer erstmals per Videoüberwachung auf die Finger schauen. Die ersten Kameras würden zeitnah angebracht, stellt Bezirkshauptmann Bernd Riepan in Aussicht; wie viele und wo, will er nicht preisgeben. In den GTI-affinen sozialen Netzwerken wurde diese Verlautbarung mit Statements wie „Es gibt für jede Herausforderung das richtige Werkzeug“ kommentiert. Die Polizei kannte am Freitag die Zahl der Kameras noch nicht. Ebenso wenig, ob und wie viele Beamte zur Live-Videoüberwachung gewisser Hotspots abgestellt werden müssen.

Alkoholverbot

Auch die Gemeinde Velden reagiert; „Seit 2009 gilt im Kurpark, auf Parkplätzen und an der Promenade vor dem Schlosshotel ein Alkoholverbot. Das wird erstmals radikal kontrolliert“, kündigt Bürgermeister Ferdinand Vouk (SPÖ) an. Ordnungshüter könne die Gemeinde dafür jedoch keine abstellen, die Kontrollen müsse die Polizei übernehmen, so Vouk.

Studie: Vortreffen gefährden Gesundheit

Seit Jahren beklagen Anrainer rund um den Wörther- und Faaker See, dass es bei den  unzähligen Vor- und Nachtreffen der GTI-Fans zu untragbaren Lärmbelästigungen kommt. Ein Gutachten, das sich mit dieser Problematik auseinandersetzt, unterstreicht jetzt diese Behauptung.
Im Auftrag der Bürgerinitiative „Pro Selpritsch“ hat das Sachverständigenbüro SV Gutsche im Vorjahr im Zeitraum von 18. bis 21. Mai (2017 fand das Haupttreffen erst von 24. bis 27. Mai statt)  an zwei Stationen Lärmmessungen durchgeführt: an der Keutschacher Straße 31 in Unterjeserz bei Velden und an der Unterjeserzer Straße 4.  An der ersten Messstation wurden Pegelspitzen bis zu 83 Dezibel festgestellt, an der zweiten bis zu 67  Dezibel (dB).  Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt als Grenzwert für einen Dauerschallpegel 55 Dezibel an; dieser wurde im Untersuchungszeitraum am ersten Messpunkt im Schnitt 25 Mal pro  Stunde überschritten, am zweiten 20 Mal.
„Pro Selpritsch“ hat die Studie der AGU (Ärztinnen und Ärzte für eine gesunde Umwelt) mit Sitz in Wien zukommen lassen, die eine umweltmedizinische Stellungnahme ausgearbeitet und diese am 14. Dezember 2017  an die Landessanitätsdirektion Kärnten geschickt hat. Darin heißt es einführend, dass diese Werte „keine normalen Werte darstellen und sicherlich durch das GTI-Vortreffen beeinflusst sind“.
Zu den gesundheitlichen Aspekten halten die Umweltmediziner Hans-Peter Hutter und Peter Wallner fest: „Jedenfalls ist in diesem Pegelbereich das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ... deutlich erhöht. Ab 55 dB wird die Situation als bedenklich eingestuft. Für die Nachtzeit werden daher seitens der WHO Werte zwischen 40 und 45 dB (Im Freien) empfohlen.“ Die Experten geben auch zu bedenken, dass die Lärmbelastung in der wärmeren Jahreszeit stattfindet, in der Fenster länger offen gehalten werden.
Maßnahmen gefordertAbschließend sprechen die Mediziner von einer „erheblichen Beeinträchtigung des Wohlbefindens und – auf längere Sicht gesehen – auch der Gesundheit der AnrainerInnen. Aus lärmmedizinischer Sicht  sind daher dringend entsprechende Maßnahmen zur Reduktion der Belastung zu ergreifen.“
Mit dieser ans Land gerichteten Stellungnahme wird sich folglich auch die  am Donnerstag angelobte neue Kärntner  Umweltlandesrätin Sara Schaar  (SPÖ) befassen müssen.

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