TV-Legenden: Die Ikonen des Samstagabends
Jetzt ist’s mit dem Samstagabend wirklich vorbei. Thomas Gottschalk, der letzte Großmeister im Stil der 1970er- und 80er-Jahre, hat diese Woche verkündet, dass er im Herbst zum endgültig letzten Mal „Wetten, dass..?“ moderieren wird. Damit ist nicht nur der Abschied eines Klassikers der Fernsehunterhaltung gekommen, sondern auch das Ende einer Ära und eines Stücks Fernsehgeschichte.
Für die ganze Familie
Samstagabend, das war ein Ritual zu Omas Zeiten. Die Familie versammelte sich um den Couchtisch und wartete bis um 20.15 Uhr – meist eingeleitet durch die Eurovisionshymne – einer ihrer Lieblinge am Bildschirm erschien. Die Lieblinge, das waren Entertainer wie Hans-Joachim Kulenkampff, Peter Alexander, Caterina Valente, Harald Juhnke, Rudi Carrell, Vico Torriani, Lou van Burg, Heinz Conrads, Joachim Fuchsberger. Und Thomas Gottschalk eben.
„Kuli“ war für viele der Größte. Mit 82 Folgen der Quizshow „Einer wird gewinnen“ erreichte er – vergleichbar nur mit Peter Alexander – am Samstagabend bis zu 80 Prozent der Zuseher im deutschen Sprachraum. Das war, auch wenn man zugeben muss, dass die Showmaster in ihrer Glanzzeit keine Konkurrenz durch private TV-Anstalten hatten, ein absoluter Rekord.
Zu den Ikonen zählte auch Rudi Carrell, der seine Zuschauer „Am laufenden Band“ unterhielt und den Höhepunkt der Show erzielte, wenn am jeweiligen Wettkandidaten ein Förderband vorbeilief, auf dem sich Konsumartikel stapelten. Jeden Gegenstand, den er sich merken konnte, durfte der Kandidat behalten.
Bei Harald Juhnke, der nach dem Tod des Entertainers Peter Frankenfeld 1979 „Musik ist Trumpf“ übernahm, stiegen die Quoten genau dann ins Unermessliche, wenn das Samstagabend-Publikum miterleben wollte, ob er wieder einmal zu tief ins Glas geschaut hatte. Im Herbst 1981 wurde Juhnke, als er bei einer Probe zusammenbrach, vom ZDF entlassen. Danach feierte er im ORF, in Filmen und auf der Bühne mehrere Comebacks. Die Fans hatten ihm verziehen. Letztendlich ist er aber an seiner Alkoholsucht zugrunde gegangen.
Nach einem Skandal wurde auch Lou van Burg, der Urvater des Samstagabends, vom Bildschirm verbannt. Seine Show „Jede Sekunde ein Schilling“ war ab 1958 so erfolgreich, dass sie für Österreich eine Nummer zu groß wurde. Das ZDF erfand für ihn den „Goldenen Schuss“, doch 1967 wurde „Onkel Lou“ gefeuert, weil er mit seiner Bildschirmassistentin eine Affäre hatte. Da half es auch nichts, dass er die junge Frau später geheiratet hat: Damals war das jedenfalls ein Riesenskandal!
Lou van Burgs Nachfolger beim „Goldenen Schuss“ hieß Vico Torriani, ohne den der Samstagabend jahrzehntelang undenkbar gewesen wäre. Der einstige Liftboy, Kellner und Barmixer blieb der Gastronomie auch am Bildschirm treu, als er in den 1950er- und 60er-Jahren die „Hotel Victoria“-Show moderierte. Ein Millionenpublikum lag ihm zu Füßen, wenn Vico das Lied von den Capri-Fischern sang und gleichzeitig eine Piccata Milanese zubereitete. In jenen Tagen ein Bombenerfolg – ob’s heute einer wäre, ist fraglich.
Mit anderen Worten: Auch seinerzeit war nicht alles Gold, was über den Bildschirm flimmerte. Aber sicher ist: Die Stars vom Samstagabend waren keine Eintagsfliegen, die per Casting ins Scheinwerferlicht gezerrt und nach drei Sendungen wegen mangelnder Quoten wieder entsorgt werden. Sie waren Profis und unverwechselbare Persönlichkeiten, die ihr Handwerk meist am Theater oder beim Radio gelernt hatten.
Mut am Samstagabend
Mitunter hat man sich am Samstagabend auch etwas getraut. Das Ehepaar Vivi Bach und Dietmar Schönherr präsentierte von 1969 bis 1972 die Sendung „Wünsch Dir was“, die wegen manch gewagter Szene internationale Beachtung fand. Wenn etwa die Mitglieder einer Kommune offen über ihr damals aufsehenerregendes Zusammenleben sprachen, wenn Friedensreich Hundertwasser die graue Fassade eines Wohnblocks bemalte oder wenn eine Wienerin – damals shocking – mit transparenter Bluse durchs Studio huschte.
30 Jahre Fernsehen schaffte neben Peter Alexander auch Heinz Conrads, abwechselnd am Samstagnachmittag und im Hauptabendprogramm. Und auch wenn man manchmal sein „Servas die Buam“ und die Begrüßung „der einsamen und kranken Zuseher“ belächelte, findet man bis heute weit und breit keinen, der es schafft, so lange erfolgreich zu sein.
Künstliche Intelligenz
Es war der Fernseh-Gigant Hans-Joachim Kulenkampff, der diese Entwicklung vorhersah: „Die Leute“, sagte er, „sind gar nicht so dumm, wie wir sie durchs Fernsehen noch machen werden“.
„Kuli“ kann bis heute niemand das Wasser reichen. Und so bleiben nach dem endgültigen Abgang von Thomas Gottschalk am 25. November 2023 im besten Fall noch Profis wie Günther Jauch und Barbara Schöneberger, die am Samstagabend den Bildschirm beherrschen, im schlechtesten Dieter Bohlen und Florian Silbereisen.
Bis der erste Moderator auftaucht, der uns mittels Künstlicher Intelligenz zu unterhalten versucht.
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