Tragödien im Luxushotel Sacher
Jetzt hat es das Sacher erwischt. Eines der renommiertesten Hotels der Welt musste diese Woche Corona-bedingt 105 Mitarbeiter kündigen. Die Wiener Nobelherberge hat eine große Geschichte, in der einander Höhen und Tiefen abwechselten. Die Chronik des Hauses erzählt von Skandalen, tragischen Todesfällen, Pleiten und kriegsbedingten Ausfällen. Aber das Sacher hat sich immer wieder erfangen und ist zu neuen Erfolgen gelangt. Das wird wohl auch diesmal der Fall sein.
Eingeheiratet
Sogar die legendäre Anna Sacher endete als tragische Figur. Die Tochter eines Fleischhauers aus der Wiener Leopoldstadt hatte 1880 in die damals schon prominente Familie Sacher eingeheiratet. Berühmt war ihr Schwiegervater, der als 16-jähriger Kocheleve die heute noch beliebte Sachertorte kreiert und mit dem Rezept so viel Geld verdient hatte, dass er 1876 für seinen Sohn Eduard das Hotel vis-à-vis der Wiener Hofoper bauen konnte.
Die Ehe von Anna und Eduard Sacher sollte nicht lange dauern, zumal der Prinzipal 1892 im Alter von nur 49 Jahren an einer Lungenentzündung starb. Nach Eduards Tod wurde dem Etablissement sofort der Titel „k. u. k. Hoflieferant“ entzogen und die Frau Sacher stand mutterseelenallein da – in einer Zeit, als Frauen von Gesetzes wegen nicht einmal allein ins Kaffeehaus gehen, geschweige denn eines samt Restaurant und Gästezimmern führen durften.
Frau Eduard Sacher
Doch die junge Witwe kämpfte verbissen gegen die damaligen Konventionen an, sie übernahm als „Frau Eduard Sacher“, wie auf ihren Visitenkarten stand, die alleinige Geschäftsführung und verdoppelte den Umsatz innerhalb eines Jahres.
In einem Hotel, dessen Ruf nicht ganz makellos war. Heute noch wird erzählt, dass sich Wiens Aristokratie in den rosa tapezierten Sacher-Separees mit jungen Vorstadt-Schönen vergnügte. Der Frau Sacher gelang es jedoch, aus dem angeschlagenen Renommee des Hotels ein angesehenes Unternehmen zu machen, das zum Treffpunkt der großen Welt wurde. Erzherzoge, Politiker, Künstler, Diplomaten und Finanzmagnaten gingen im ehemals skandalträchtigen Sacher ein und aus und begrüßten die Chefin, als wäre sie eine regierende Fürstin. So erlebte das Sacher in den letzten Jahren der Monarchie einen der Höhepunkte seiner Geschichte.
Das Ende der Monarchie
Mit dem Ersten Weltkrieg und dem darauffolgenden Zusammenbruch Österreich-Ungarns schien alles vorbei zu sein, denn statt der Esterhazys und Schwarzenbergs kamen jetzt zwielichtige Spekulanten ins Haus. Auch in ihrem Privatleben sollte Anna Sacher nicht glücklich werden. Sie verliebte sich nach dem Tod ihres Mannes in einen angesehenen Herrn der Wiener Gesellschaft, doch die Affäre mit Julius Schuster, dem Gutsverwalter der Familie Rothschild, musste geheim bleiben, da er verheiratet war.
Die Kinder enterbt
Keines ihrer Kinder sollte das Hotel bekommen, Anna Sacher hatte ihren Sohn und die beiden Töchter nach jahrelangen Streitereien im Testament enterbt. Sohn Eduard jun. meldete mit einem eigenen Kaffeehaus Konkurs an und Tochter Anna nahm sich aus unglücklicher Liebe das Leben.
Die Frau Sacher hat das alles nicht verkraftet, sie wurde immer sonderbarer und war mit den Jahren nicht mehr in der Lage, ihr einst florierendes Hotel erfolgreich zu führen. Das ging so weit, dass sie 1929 entmündigt wurde, ehe sie ein Jahr später 70-jährig im Sacher starb.
Aus der Konkursmasse
Der Wiener Rechtsanwalt Hans Gürtler kaufte das völlig heruntergekommene Hotel aus der Konkursmasse, renovierte es und ließ es in neuer Pracht wiedererstrahlen. Danach gelang es Gürtler, das Sacher durch die schweren Jahre des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs zu führen, die das Hotel wie durch ein Wunder unbeschadet überstand, während fast alle Nachbargebäude inklusive Staatsoper im Bombenhagel zerstört wurden.
Der Tortenkrieg
Nach dem Krieg fiel das Sacher zuerst der russischen und dann der britischen Besatzungsmacht in die Hände und konnte sechs Jahre nicht als Hotel geführt werden. Nachdem die Alliierten das Sacher verlassen hatten, ging es wieder aufwärts mit dem Hotel. Doch jetzt stand ihm ein Prozess bevor, der das Sacher zehn Jahre belasten sollte: Das Hotel und die nicht minder renommierte Konditorei Demel stritten darum, wessen Torte die „Original Sacher-Torte“ sei. Bis 1962 der Oberste Gerichtshof im sogenannten „Tortenkrieg“ entschied, dass nur das Sacher seine Produkte so nennen dürfe. Damit war die Grundlage für den bis heute größten Geschäftsbereich des Sacher gegeben, die in alle Welt exportierte Sachertorte.
Doch die Tragödien setzten sich fort. 1970 nahm sich Hans Gürtler das Leben. Sein Sohn Peter Gürtler übernahm den Betrieb, heiratete Elisabeth Mauthner und führte das Hotel zu neuen Höhen. Aber auch Peter Gürtler litt an Depressionen und schied 20 Jahre nach seinem Vater aus dem Leben.
Elisabeth Gürtler übernahm die Leitung des Sacher, das jetzt Weltgeltung erlangte. Sie führte das Luxushotel für ihre Kinder Alexandra und Georg, die es mittlerweile in dritter Generation übernommen haben. Alexandras Mann, Matthias Winkler, hat die Geschäftsführung inne.
Rückkehr ins Hotel
Nach all den Höhen und Tiefen wurde das Sacher – wie zahllose andere Betriebe – von Corona überrascht. Die 105 Mitarbeiter, die jetzt gekündigt wurden, sollen zu einem späteren Zeitpunkt wieder eingestellt werden.
Das Sacher wird auch das schaffen.
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