Schauspieler in der Politik
Also, das hat noch keiner geschafft. Zuerst in einer TV-Serie einen Präsidenten zu spielen und dann ein echter Präsident zu werden. Anfangs dachte man in der Ukraine, Wolodymyr Selenskij spielte seine Rolle im Präsidentenpalast weiter, doch spätestens seit er sich den russischen Invasoren standhaft entgegensetzt, wissen seine Landsleute, dass es bitterer Ernst ist: Selenskij hat längst das Kostüm des Schauspielers abgelegt und ist ein wahrhaftiger Politiker geworden. Der erste, dem das gelang, ist er freilich nicht.
Die beste Rolle
Auch Ronald Reagan war Präsident – der 40. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. In Hollywood raunte man sich zu, Reagan hätte 53 Filme gedreht, wirklich gut sei er aber nur in einer Rolle gewesen: in der des Präsidenten. Als ich Billy Wilder einmal über ihn befragte, sagte er: „Wenn man den William Holden, den John Wayne und den Glenn Ford nicht bekommen hat, dann hat man den Reagan genommen. Er war hier einer von Tausenden Schauspielern, über die man sich keine Gedanken gemacht hat. Niemand hätte gedacht, dass so jemand einmal Präsident wird.“
Ein wichtiger Job
Und doch. Der Republikaner hatte seine politische Karriere als Vorsitzender der Schauspielergewerkschaft begonnen und wurde 1967 Gouverneur von Kalifornien. Spitz fragte damals sein demokratischer Gegenspieler Pat Brown: „Was hat ein Schauspieler bei einer Wahl zu suchen, in der es um den wichtigen Job des Gouverneurs geht?“
Von 1981 bis 1989 war Reagan dann US-Präsident, als der „der Schauspieler“ mit Michail Gorbatschow immerhin zum Zusammenbruch des Ostblocks und zum Fall der Berliner Mauer beitrug.
Reality-Show
Wenn mit Reagan ein ehemaliger B-Movie-Star ins Weiße Haus zog, dann stellt sich die Frage, ob das Alphabet über genügend Buchstaben verfügt, um die Schauspielkunst von Donald Trump einordnen zu können. Jedenfalls hatte er elf Jahre für den TV-Sender NBC die Reality-Show The Apprentice („Der Lehrling“) moderiert, in der sich Kandidaten um einen Job für die Trump Organization bewarben. Einprägsam war Trumps immer wiederkehrende Floskel „You’re fired!“ („Sie sind gefeuert“). Meinungsforscher sind sich einig, dass er ohne die Popularität dieser Sendung keine Chance gehabt hätte, zum Präsidenten gewählt zu werden.
Seine Popularität als Leinwandheld, Bodybuilder und Mitglied des Kennedy-Clans geschickt einzusetzen, um wie Reagan Gouverneur von Kalifornien zu werden, verstand auch der aus Thal bei Graz stammende Arnold Schwarzenegger. Und wenn er nicht in der Steiermark, sondern in den USA zur Welt gekommen wäre, hätte er es vielleicht sogar zu Präsidentenehren gebracht. Der Ex-„Mister Universum“ hatte als einer der bestbezahlten Hollywoodstars rund 40 Filme gedreht und setzte dann auch als Politiker (2003-2011) sein Showtalent ein – etwa, als er generös auf sein Gouverneursgehalt verzichtete. Er ist bis heute ein homo politicus geblieben, der vehement für den Klimaschutz eintritt, und als Trump sich für das Präsidentenamt bewarb, erklärte „Arnie“, dass er zum ersten Mal in seinem Leben nicht für die Republikaner stimmen würde. Nach dem Überfall auf die Ukraine forderte er die russische Bevölkerung auf, sich gegen Putins falsche Propaganda zu wehren.
Bürgermeister Eastwood
Clint Eastwood ist zwar als Schauspieler um einige Nummern größer als Reagan und Schwarzenegger, aber in der Politik hat er es nicht einmal ansatzweise so weit gebracht. Der heute 92-jährige Oscarpreisträger war zwei Jahre Bürgermeister seiner kalifornischen Heimatgemeinde Carmel, in der er ab 1986 um schnellere Postzustellung und saubere Gehsteige bemüht war. Gegen die Politik seiner republikanischen Partei trat er für das Recht auf Abtreibung und die Homo-Ehe ein.
Melina Mercouri ( 1994) erfreute sich als griechische Kulturministerin ebensolcher Anerkennung wie zuvor als Schauspielerin. Während Ministerpräsident Papandreou sein Kabinett innerhalb von acht Jahren 16 Mal umbilden musste, überstand sie sämtliche Regierungskrisen.
In Österreich gab's noch keinen Schauspieler, der es zum Minister, Kanzler oder gar zum Präsidenten gebracht hätte – Franz Morak aber immerhin zum Kunststaatssekretär. Von Erhard Busek 1994 aus dem Burgtheater ins Parlament und sechs Jahre später von Wolfgang Schüssel in die Regierung geholt, glaubt Morak heute noch, dass Bühnenerfahrung eine gute Voraussetzung für die Politik sei: „Ein Schauspieler muss alle drei Monate eine neue Rolle lernen und somit flexibel sein, er muss auftreten und sich artikulieren können, und er muss sich ständig der Kritik stellen. All das gilt auch für Politiker.“
Filmbösewicht
Herbert Fux ( 2007), jahrzehntelang der Filmbösewicht vom Dienst, meinte die Schattenseiten des politischen Engagements kennen gelernt zu haben: „Beruflich war die Politik für mich eine Katastrophe“, sagte er einmal, „sie hat mich Millionen gekostet, denn gegen mich lief eine Schmutzkübelkampagne.“ Im ORF soll er keine Rollen mehr bekommen haben, „weil ich mit meiner Bürgerliste gegen die rot-schwarze Packelei angekämpft habe“.
„Schmierenkomödiant“
Nach zehn Jahren in der Salzburger Kommunalpolitik ging Fux 1986 als Grüner in den Nationalrat, wo ihn ein politischer Gegner als „Schmierenkomödiant“ bezeichnete.
Die Schauspielerin Mercedes Echerer war ab 1999 als unabhängige Abgeordnete auf der Liste der Grünen im Europaparlament und ist „glücklich in Brüssel gewesen zu sein, da ich einiges bewegen konnte. Und doch war die Sehnsucht nach künstlerischer Kreativität und meiner Familie größer als der Wunsch, in der Politik zu bleiben.“ Also kehrte sie 2004 zurück nach Wien.
Es gab Zeiten, da wurden Künstler und insbesondere Schauspieler belächelt, wenn sie in die Politik gingen. Immerhin werden sie heute als ganz normale Quereinsteiger akzeptiert.
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