Wie der Berg des Herrn von Künigl zum Synonym für den ORF wurde

Wie der Berg des Herrn von Künigl zum Synonym für den ORF wurde
Wo sich heute Fernsehstudios befinden, stand einst eine Villa, in der der Arzt Beethovens und des Kaiserhauses lebte und ordinierte.

Zuletzt lieferte der Küniglberg jede Menge Schlagzeilen in eigener Sache: durch die Gagen der ORF-Stars und die Chats des ehemaligen Vorturners der Nation. Doch über die Geschichte des Bergs im Wiener Nobelbezirk Hietzing gibt es weit mehr zu berichten. Benannt nach dem Adelsgeschlecht von Künigl, residierte hier einst jener Arzt, den man – zu Unrecht – „Beethovens Mörder“ nannte und dem Kaiser Franz Joseph laut Überlieferung sein Leben verdankte. Später befanden sich hier ein Invalidenheim und eine Kaserne, ehe das ORF-Zentrum errichtet wurde.

Wie der Berg des Herrn von Künigl zum Synonym für den ORF wurde

Leopold Künigl

Zwei Söhne Maria Theresias

„Ja, der Küniglberg ist nach einem meiner Vorfahren benannt“, erzählt der 80-jährige, in Wien lebende frühere Restaurator Leopold Künigl. „Der Vorfahre hieß Wolfgang Künigl und verwaltete im 16. Jahrhundert als kaiserlicher Prokurator die Güter der Pfarre Hütteldorf.“ In dieser Zeit wurde die Familie Künigl von Ehrenburg in den Freiherrn- und 1662 in den Grafenstand erhoben. Die Angehörigen des fast tausend Jahre alten Geschlechts waren Landeshauptleute von Tirol, Beamte, einer war Fürsterzbischof und ein anderer Erzieher zweier Söhne der Maria Theresia.

Der bedeutendste Bewohner des 257 m hohen Küniglbergs war aber der Arzt Johann Malfatti, dessen legendärer Ruf durch zwei prominente Patienten begründet ist:

Der Kaiser Franz Joseph verdankte ihm, so ist’s überliefert, sein Leben.

Beethoven Derselbe Dr. Malfatti soll aber laut mehreren Beethoven-Biografien schuld am Tod des Musikgenies gewesen sein.

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Beethoven

Der Mediziner war 1795 mit 20 Jahren als Giovanni Malfatti aus Italien nach Wien gekommen, wo er von berühmten Zeitgenossen konsultiert wurde. Seine erfolgreichen Heilmethoden brachten Malfatti so viel Geld ein, dass er von der Stadt Wien das riesige Areal des heutigen ORF-Zentrums kaufen und darauf eine prunkvolle Villa samt Ordination bauen konnte. Der Küniglberg war damals der größte Privatbesitz in Hietzing.

Hypochonder Beethoven

Malfattis berühmtester Patient war der als Hypochonder verschriene Ludwig van Beethoven, der nur ihm und keinem anderen Arzt vertraute. Beethoven komponierte Johann Malfatti zu Ehren sogar eine Kantate, doch im Jahr 1818 kam es zum Bruch, den Beethoven so kommentierte: „Mein Arzt ist ein pfiffiger Italiener, der es mehr auf meine Börse als auf meine Gesundheit abgesehen hat.“ Malfatti lehnte daraufhin jede weitere Behandlung des Musikers ab.

Als sich sein Gesundheitszustand Ende des Jahres 1826 dramatisch verschlechterte, klagte das taube Genie: „Alle Ärzte sind Esel, nur Malfatti kann mir helfen!“ Vom Ernst der Lage informiert, stattete Malfatti dem früheren Patienten doch noch eine Visite ab. Er erkannte das nahende Ende und erlaubte Beethoven drei Portionen Punsch-Eis – das von ihm geliebte Gefrorene mit Alkohol. Wochen später starb Beethoven 56-jährig.

Anton Schindler, der erste Biograf des Genies, bezeichnete Malfatti als „Beethovens Mörder“, dessen Behandlung der Komponist zum Opfer gefallen sei. Diese Bezeichnung wurde von vielen Biografen übernommen, und erst als sich 150 Jahre nach Beethovens Tod Teile seines Schädelknochens und der Obduktionsbefund fanden, konnte der Nachweis erbracht werden, dass der Musiker hoffnungslos an Leberzirrhose und Lungenentzündung erkrankt war. Und dass das Punsch-Eis sicher nichts mit seinem Tod zu tun hatte.

Arzt des Kaiserhauses

Weit mehr Ruhm als durch Beethoven sollte Malfatti als Arzt des Kaiserhauses erlangen: Als die Ehe der Eltern Kaiser Franz Josephs sechs Jahre kinderlos blieb, konsultierten diese den Hofarzt Malfatti, der ihnen zum Gebrauch des Solebads in Ischl riet. Und von da an klappte es: Erzherzogin Sophie gebar im Lauf der folgenden zwölf Jahre nicht weniger als fünf Kinder – jedes nach einer Salzkur in Ischl. Franz Joseph und seine Geschwister wurden deshalb in der Monarchie „Salzprinzen“ genannt.

Malfatti wurde ob seiner Verdienste für das Kaiserhaus zum Edlen von Montereggio geadelt, und die heutige Malfattigasse in Hietzing ist nach ihm benannt. Einige Jahre nach seinem Tod 1859 mit 83 Jahren wurde seine Villa am Küniglberg abgerissen und durch eine andere ersetzt, die heute auch nicht mehr existiert.

Heute gibt’s noch 20 Künigls

In den letzten Jahren der Monarchie entstanden am Küniglberg ein Heim für Kriegsinvalide und mehrere Wohnsiedlungen. Im Zweiten Weltkrieg wurde hier eine Flak-Kaserne gebaut, deren Spatenstich Hermann Göring, der Oberbefehlshaber der deutschen Luftwaffe, vornahm. Danach diente die Kaserne den britischen Besatzungstruppen, ehe sie 1968 abgetragen wurde. An ihrer Stelle entstand auf dem fast 80.000 Quadratmeter großen Areal das heutige, vom prominenten Architekten Roland Rainer geplante und 1975 fertiggestellte ORF-Zentrum.

Wie der Berg des Herrn von Künigl zum Synonym für den ORF wurde

Der Familie Künigl gehören heute noch rund 20 Mitglieder an, die in der Steiermark, in Wien und in Südtirol leben.

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