Geschichten mit Geschichte: Willkommen im Seniorenclub
Alexander Van der Bellen wird 80. Er ist nicht der erste Politiker, der im fortgeschrittenen Alter aktiv bleibt. Ist das von Nachteil oder überwiegt die Erfahrung eines langen Lebens?
Neben dem fast gleichaltrigen US-Präsidenten Joe Biden wirkt Alexander Van der Bellen beinahe wie ein Jüngling. Aber der Geburtsschein lässt keinen Zweifel: Österreichs Bundespräsident wird am Donnerstag 80 Jahre alt. Während Biden der älteste Staatschef in der Geschichte der Vereinigten Staaten ist, gab es bei uns einen noch älteren Bundespräsidenten, nämlich Theodor Körner, der bis in sein 84. Lebensjahr Staatsoberhaupt blieb. Ist das Alter Beeinträchtigung für ein hohes politisches Amt oder zeigt die Erfahrung eines langen Lebens auch positive Seiten?
Churchill und die Queen
Betagte Staatsmänner und -frauen hat es immer gegeben. Dänemarks Königin Margrethe II. dankt heute, Sonntag, mit 83 Jahren zugunsten ihres Sohnes Frederik ab. Queen Elizabeth II. hingegen versah ihren Dienst bis zum letzten Tag ihres Lebens mit 96 Jahren. Und ihr Premierminister Winston Churchill stand auch mit über 80 noch an der Spitze der britischen Regierung.
Churchill hatte bereits in seiner ersten Amtszeit durch den Sieg der Alliierten über Hitler-Deutschland Geschichte geschrieben. Auch damals befand er sich mit seinen 71 Jahren eigentlich schon im Rentenalter. Kurz vor Kriegsende traf er noch US-Präsident Roosevelt und Kremlchef Stalin zur Konferenz von Jalta, um nicht mehr und nicht weniger als eine europäische Friedensordnung zu schaffen. Als Churchill, wohl nicht zuletzt dank seiner ungesunden Lebensweise („No sports“) einen Schlaganfall erlitt, drängten die eigenen Parteifreunde den mittlerweile 81-Jährigen zum Amtsverzicht. Er blieb dann noch Mitglied des Unterhauses, ehe er im Alter von 90 Jahren starb.
Auch Konrad Adenauer hatte in seinen späten Jahren etliche Herkulesaufgaben zu bewältigen. Mit 72 erstmals zum Regierungschef gewählt, trug er die Hauptverantwortung bei der Gründung der Bundesrepublik, für die Rückkehr zur Demokratie, den Wiederaufbau, das Wirtschaftswunder und die Integration in das westliche Bündnissystem.
In Adenauers 14-jähriger Amtszeit als Bundeskanzler fiel der Bau der Berliner Mauer, und als er 86 war paktierte er noch die Aussöhnung Deutschlands mit Frankreichs Staatspräsident Charles de Gaulle. Der zu diesem Zeitpunkt auch schon 73 Jahre alt war (und bis 79 aktiv blieb).
Wie viele große „Alte“ kämpfte auch Adenauer – trotz eines 1962 erlittenen Herzinfarkts – darum, möglichst lange im Amt zu bleiben und einen geeigneten Nachfolger zu verhindern. Legendär sind seine, im Alter noch geprägten Sprüche wie „Nehmen Sie die Menschen wie sie sind, andere gibt es nicht“. Adenauer verließ das deutsche Kanzleramt – wie Churchill von der eigenen Partei dazu gedrängt – mit 87, um dann noch bis zu seinem Tod im Alter von 91 Jahren Bundestagsabgeordneter zu bleiben.
Der älteste Papst
Statistisch gesehen schaffen es die Päpste als älteste Staatsoberhäupter zu fungieren, was daran liegt, dass sie fast immer bis an ihr Lebensende im Amt bleiben. Der bisher älteste Papst war Leo XIII., dessen Pontifikat bis 1903, seinem Tod mit 93 Jahren, dauerte. Er wurde allerdings lange mit Opiaten am Leben erhalten und konnte sich zuletzt kaum noch in der Öffentlichkeit zeigen. Der heutige Papst Franziskus ist 87, körperlich geschwächt, aber reformfreudiger als viele seiner Vorgänger.
Natürlich nimmt die Wahrscheinlichkeit zu erkranken, im Alter zu. Bruno Kreisky litt in seinen späten Jahren unter Bluthochdruck und war Dialysepatient, hielt seinen Gesundheitszustand aber lange geheim, weil er sich mit 72 Jahren noch einmal den Wählern stellen wollte. Auch Thomas Klestil nahm seine Termine als Bundespräsident wahr, obwohl er im Herbst 1996 eine Lungenembolie hatte, von der er sich nie mehr ganz erholen sollte. Er starb – zwei Tage vor dem Ende seiner Amtszeit – am 6. Juli 2004 mit 71 Jahren.
Relativ gesund war hingegen fast bis zum Schluss Kaiser Franz Joseph, der letztlich durch sein Alter und seine lange Regentschaft die bröckelnde Donaumonarchie zusammenhielt (aber mit 84 Jahren die fatale Kriegserklärung an Serbien unterschrieben hat).
Nicht nur im Weißen Haus
In den USA wird die Überalterung in der Politik gerade intensiv diskutiert, zumal bei der Präsidentschaftswahl im Herbst vermutlich zwei Herren im Seniorenalter antreten werden: Joe Biden (81) und Donald Trump (78). Einer von ihnen wird dann laut Neuer Zürcher Zeitung, „vier weitere Jahre, in einem Alter, in dem andere das Autofahren aufgeben, eines der einflussreichsten Länder weltweit regieren“.
Doch Amerikas „Seniorenclub“ beschränkt sich nicht auf das Weiße Haus: Im Kongress sind 21 der 535 Abgeordneten 80 und mehr Jahre alt. Als die demokratische Senatorin Dianne Feinstein im vergangenen Juni 90 wurde, forderten sogar Fraktionskollegen ihren Rücktritt. Doch Feinstein weigerte sich zu gehen. Sie starb im September als ältestes Senatsmitglied.
„Die Alten sind wichtig“
Für den Wiener Altersforscher Franz Kolland kommt Alexander Van der Bellen „langsam ins richtige Alter. Für bestimmte Tätigkeiten sind unterschiedliche Lebensalter günstig. Für die Technologie sind eher die Jungen geeignet, doch für die Politik ist ein umfassendes Wissen von Vorteil, das mit dem Alter zunimmt.“
Professor Kolland sieht es als „positiv, dass es Politiker gibt, die im hohen Alter noch aktiv sind, auch weil in unserer Gesellschaft eine Abwertung des Alters stattfindet, der damit entgegengehalten wird. Es ist schon gut, dass es – wie jetzt in Frankreich – 30-, 40-jährige Politiker gibt, aber es ist mindestens ebenso wichtig, dass Weisheit und Erfahrung mitspielen.“
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