Hexenjagd: Donald Trump und die McCarthy-Ära

Für Donald Trump ist jeder, der nicht zu hundert Prozent seine Meinung teilt, ein Kommunist. Seinen Vorgänger Joe Biden nannte er den Anführer einer „kommunistischen Diktatur“, Vizepräsidentin Kamala Harris und andere Politiker der Demokratischen Partei sind „Marxisten, Faschisten, linksradikale Gangster“. Trump hat derlei Freundlichkeiten nicht erfunden, hat doch der republikanische Senator Joseph McCarthy schon vor über 70 Jahren seine „Feinde“ auf ähnliche Weise diffamiert. Heute noch denken viele Amerikaner mit Schrecken an die „McCarthy-Ära“, in der auch prominente Künstler wie Charlie Chaplin, Orson Welles, Arthur Miller und Leonard Bernstein vor Verfolgung nicht verschont blieben.
Neuauflage der McCarthy-Ära
Donald Trump hat noch vor Antritt seiner zweiten Amtszeit eine Neuauflage des „McCarthyismus“ angekündigt und dieses Versprechen gehalten, indem er fast jeden Tag Teile der US-Administration von politischen Gegnern „säubert“. Seine wie auch McCarthys Behauptung, Amerikas Behörden seien von kommunistischen Staatsfeinden unterwandert, dient(e) dazu, Angst und Schrecken zu verbreiten und Andersdenkende zu diskreditieren. In Wahrheit hat die „Communist Party USA“ seit 1945 nie eine relevante Rolle gespielt. Als sie zuletzt 1984 bei Präsidentschaftswahlen antrat, erzielte sie 0,04 Prozent der Stimmen, zu Zeiten McCarthys war es ähnlich.
Wie aber wurde Joseph McCarthy zum Vorreiter derartiger Hexenjagden? Geboren 1908 als fünftes von neun Kindern einer Farmerfamilie im US-Bundesstaat Wisconsin, war er zunächst Anwalt und Bezirksrichter, ehe er 1946 in den Senat gewählt wurde. 1950 erklärte er, über eine Liste von 200 Mitgliedern der Kommunistischen Partei zu verfügen, die sich als Beamte ins US-Außenministerium eingeschlichen hätten.

Diese Liste hat es nie gegeben, die Behauptung war eine glatte Lüge. Aber sie machte McCarthy in der Frühphase des Kalten Krieges über Nacht berühmt. Also setzte er seine Verleumdungskampagne fort und erklärte nun – noch spektakulärer – als liberal bekannte Wissenschafter und Kulturschaffende zu Kommunisten.
Der prominenteste war Charlie Chaplin, der als britischer Staatsbürger seit 30 Jahren in Amerika lebte und der erfolgreichste Hollywoodstar war. Als er 1952 zur Premiere seines Films „Limelight“ nach London reiste, wurde ihm bei der geplanten Rückkehr in die USA wegen des Verdachts „unamerikanischer Umtriebe“ die Einreise verweigert. Chaplin, der zwar links, aber kein Kommunist war, blieb für den Rest seines Lebens in der Schweiz.
Eher konservativ war der Schriftsteller Thomas Mann, der seit 1938 als Gegner des Nationalsozialismus im US-Exil lebte. Der sich humanistischen Idealen verpflichtete Literaturnobelpreisträger verließ 1952 infolge der gegen ihn gerichteten Hexenjagd die USA, um seine letzten Jahre ebenfalls in der Schweiz zu verbringen.

Fast ins Gefängnis
Einsperren wollte man sogar den Dramatiker Arthur Miller, nachdem er in seinem Theaterstück „Hexenjagd“ Anspielungen auf McCarthys Kommunistenverfolgung gemacht hatte. Zur Einvernahme geladen, erregte er großes Aufsehen, weil er in Begleitung seiner Frau Marilyn Monroe erschien. Als er sich weigerte, die Namen ihm bekannter Kommunisten zu nennen, wurde er zu einer Haftstrafe verurteilt, die später jedoch aufgehoben wurde.
Leonard Bernstein wurde wegen angeblicher Sympathien für die Kommunistische Partei vom FBI bespitzelt, mit dem Ergebnis, dass das US-Außenministerium im Jahr 1953 seinen Pass nicht verlängerte. Bei Vernehmungen erklärte der Dirigent, ein linksliberaler Pazifist zu sein.

Die Verhöre der Beschuldigten und der Zeugen wurden von einem Untersuchungsausschuss des Senats unter McCarthys Leitung geführt. Unterstützt wurde er vom späteren US-Präsidenten Richard Nixon und anderen (auch demokratischen) Senatoren, die innerhalb von zwei Jahren 653 Männer und Frauen zwangsweise vorluden. Neben politisch verdächtigen, meist harmlosen Personen wurden auch Militärs und Homosexuelle einbestellt, die oft nach den (vom Fernsehen übertragenen) Verhören ihre Jobs verloren. Einige nahmen sich das Leben.
Tatsächlich überzeugter Kommunist war der Schriftsteller Bertolt Brecht, der die USA bereits 1947 verließ, um sich in der DDR niederzulassen (und gleichzeitig österreichischer Staatsbürger zu werden).
McCarthys politisches Ende
Als „suspekt“ galt – er hatte den Wahlkampf des demokratischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt unterstützt – der als „Dritter Mann“ in die Filmgeschichte eingegangene Schauspieler und Regisseur Orson Welles. Da er Kontakte zu linken Gruppierungen hatte, wurde er auf eine Schwarze Liste gesetzt, was einem Berufsverbot gleichkam. Er verlegte daraufhin seine Dreharbeiten nach Europa und kehrte erst nach Ende der „McCarthy-Ära“ zurück nach Hollywood.
Joseph McCarthys Ende nahte, als ihn 1953 in seinem Verfolgungswahn jeglicher politischer Instinkt verließ und er seinen republikanischen Parteifreund, den amtierenden Präsidenten Dwight D. Eisenhower, einen „verkappten Kommunisten“ nannte. McCarthy blieb daraufhin zwar Senator, verlor aber den Vorsitz in seinem Untersuchungsausschuss und damit jeglichen Einfluss. Darüber hinaus passierte ihm das, was er bis dahin Tausenden Menschen angetan hatte: Er stand unter ständiger Beobachtung der CIA.

Symbolfigur der Hexenjagd
McCarthy, der schwere Alkoholprobleme hatte, starb 1957 mit 48 Jahren an Leberzirrhose. Er ging als Symbolfigur der Hexenjagd in die Geschichte der USA ein.
Vergleiche hinken bekanntlich, so auch der Trumps mit McCarthy. Schon weil der eine als Präsident über weit mehr Macht verfügt als der andere. Aber was ihr Talent für Hexenjagden betrifft, bleiben sie einander nichts schuldig.
Kommentare