Ein Museum für "Schindlers Liste"

Vor der ehemaligen Emailwarenfabrik bilden sich lange Menschenschlangen.
Seit ich den Film "Schindlers Liste" 1993 zum ersten Mal im Kino sah, bleibt er mir in vielen Details unvergessen, und somit war‘s klar, dass ich eines Tages die berühmte Emailwarenfabrik in Krakau besuchen würde. Jene Fabrik, in der Oskar Schindler 1.200 Menschenleben gerettet und dabei sein eigenes aufs Spiel gesetzt hat.
Heute ist in dem Gebäude ein Museum untergebracht, das an die Gräuel der Zeit, aber auch an den Heldenmut eines Einzelnen erinnert.
Spion für die Nazis
Dabei war dieser Oskar Schindler ursprünglich ein Mensch ohne Skrupel, er war Nazi-Spion, Mitglied der NSDAP und hat mit "arisiertem" Kapital sein Vermögen begründet. Doch als er sah, wie Juden systematisch ermordet wurden, konnte er nicht länger zusehen. Und wurde zum Helden, der mit einem genialen Plan sein eigenes Leben riskierte:
Vorerst haben jüdische Zwangsarbeiter in seiner Emailwarenfabrik in Krakau Kochgeschirr hergestellt. Bis aus Berlin der Befehl kam, alle noch lebenden Juden in ein Vernichtungslager zu schicken. Es sei denn, sie würden in einer für das Kriegsgeschehen "siegentscheidenden Produktion" eingesetzt. Daraufhin stellte Schindler die Erzeugung von Geschirr auf Granathülsen um. Womit seine Fabrik von den deutschen Behörden als Rüstungsbetrieb anerkannt wurde.
Schindler erstellte nun eine 20 Seiten lange Liste – "Schindlers Liste" eben – mit den Namen von rund 1.200 Arbeiterinnen und Arbeitern, die er für seine "kriegswichtige Produktion" benötigte. Er richtete für sie gesonderte Unterkünfte ein, sodass sie nicht mehr der Willkür des brutal mordenden KZ-Kommandanten Amon Göth ausgeliefert waren. Als ihm Krakau in den letzten Monaten des NS-Regimes zu gefährlich erschien, übersiedelte Schindler samt Fabrik nach Mähren und nahm seine Arbeiter mit. Alle von ihnen haben überlebt.

Hunderttausende Besucher
Ein großer Sprung ins Jahr 2025. Vor dem Museum in Krakau bildet sich eine lange Menschenschlange, Minimum eine Stunde Wartezeit, ehe man in der einstigen Fabrik Einlass findet. Der mit sieben Oscars ausgezeichnete Film von Steven Spielberg lockt nach wie vor jedes Jahr mehrere Hunderttausend Menschen in Oskar Schindlers Betriebsstätte.
Sobald man das Museumsgebäude betritt, steht man der "Galerie der Geretteten" mit Hunderten Porträtfotos von Frauen und Männern gegenüber, die Schindler das Überleben verdankten. Daneben Requisiten aus Spielbergs Film, in den darüberliegenden Stockwerken dokumentieren alte Geländewagen, Plakate, Fotos und Zeitungsausschnitte die Okkupation Polens durch deutsche Truppen. Eine rekonstruierte Todeszelle wird ebenso gezeigt wie Foltergeräte, die bei Verhören eingesetzt wurden. Man sieht in dem 2010 eröffneten Museum die Lebens- und Arbeitsbedingungen in Schindlers Fabrik und sein Arbeitszimmer mit Schreibtisch.
Oskar Schindler kam 1908 in der mährischen Stadt Zwittau im damaligen Österreich-Ungarn als Sohn eines Landmaschinenfabrikanten zur Welt. Als der Vater Insolvenz anmelden musste, ließ Oskar Schindler sich als Agent für Nazi-Deutschland anwerben und heiratete die Tochter eines reichen Bauern.
Spieler und Frauenheld
Nach dem Überfall Hitlers auf Polen im September 1939 witterte der als leichtlebig verschriene Spieler und Frauenheld gute Geschäfte und ging nach Krakau, wo er die Emailwarenfabrik aus ehemals jüdischem Besitz übernahm.
Ich traf im Jahr 2007 Mietek Pemper, damals einer der letzten Zeitzeugen, der das Ghetto von Krakau und das nahe Konzentrationslager Plaszow überlebt hatte. Und der zuletzt als Zwangsarbeiter in Schindlers Fabrik tätig war. Später, bei den Dreharbeiten zu "Schindlers Liste", stand er Steven Spielberg als Berater zur Seite.
"Einmal fragte mich Spielberg", erzählte mir Mietek Pemper, "was meiner Meinung nach der Grund war, dass Schindler geholfen hat. Da sagte ich zu ihm: "Welchen Schindler meinen Sie?" Denn ich kannte zwei Schindlers. Den einen, der als NSDAP-Mitglied, Industrieller und trinkfester Lebemann nichts als seine Geschäfte und Frauenaffären im Sinn hatte. Und den anderen, der bei der Auflösung des Ghettos im März 1943 sah, wie Menschen behandelt wurden. Und der alles tat, um das Leben der jüdischen Zwangsarbeiter in seiner Fabrik zu retten. Das war ein und dieselbe Person, aber sie handelte, als wären es zwei gewesen." Auch Mietek Pempers Name findet sich auf jener legendären Liste, die das Überleben ermöglichte.
Das Vermögen verloren
Oskar Schindler hatte als Folge des Umbaues seiner Fabrik zum Rüstungsbetrieb und der Übersiedlung mit Hunderten Arbeitern sein gesamtes Vermögen verloren. Nach dem Krieg lebte er mit seiner Frau eine Zeit lang in Argentinien, versuchte in Westdeutschland eine neue Fabrik aufzubauen, scheiterte aber. Doch die "Schindlerjuden", wie sie sich selbst nannten, unterstützten ihn, wo sie konnten, und luden Oskar Schindler schließlich nach Jerusalem ein.
Er starb 1974 mit 66 Jahren in der Stadt Hildesheim in Niedersachsen und wurde auf eigenen Wunsch auf dem römisch-katholischen Friedhof der Franziskaner in Jerusalem begraben.
Die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem ernannte ihn und seine Frau Emilie – deren nicht minder mutiges Mitwirken an der Lebensrettung von 1.200 Menschen allzu oft vergessen wird – zu Gerechten unter den Völkern.
Heute gibt es weltweit rund 6.000 "Schindlerjuden", darunter vermutlich keiner mehr der ehemaligen Zwangsarbeiter, jedoch deren Kinder, Enkel und Urenkel, die dem Fabrikanten Oskar Schindler ihr Leben verdanken.
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