Der legendäre KURIER-Fotograf wäre heuer 100 Jahre alt. Seine Bilder sind ein Stück Zeitgeschichte, er war bei großen Ereignissen dabei, etwa als Kennedy und die Queen in Wien waren, Peter Weck heiratete oder die Reichsbrücke einstürzte.
Pressefotografen kommen meist in Jeans und Lederjacke zu ihren Terminen, egal ob sie beim Bundespräsidenten oder im Gerichtssaal stattfinden. Nicht so Fritz Klinsky, der Grandseigneur unter den Fotografen, der 40 Jahre als Fotoreporter unterwegs war, 17 davon für den KURIER. Immer in Anzug oder Blazer, mit Krawatte und seidenem Stecktuch und als Markenzeichen eine Pfeife im Mund.
Seine Schwarz-Weiß-Fotos sind ein Juwel des KURIER-Archivs und längst auch des Bildarchivs der Österreichischen Nationalbibliothek. Heuer wäre „KLI“, wie wir ihn nannten, 100 Jahre alt. Zeit, sich seiner und seiner Bilder zu erinnern.
Eigener Blickwinkel von Klinsky
Friedrich „Fritz“ Klinsky hat nicht einfach auf den Auslöser gedrückt, sondern seine „Opfer“ aus seinem ihm eigenen Blickwinkel betrachtet. Ein berühmter Schnappschuss gelang ihm, als er am 10. Oktober 1971 Bruno Kreisky auf den Stufen vor seinem Wahllokal ablichten wollte. Der Kanzler rutschte infolge seiner „genagelten“ Maßschuhe aus, und Klinsky drückte exakt in der Sekunde des Geschehens ab. Ein Kreisky-Biograf beschrieb das Foto, das am Tag entstand, an dem er seine erste absolute Mehrheit erhielt, mit den Worten: „Fällt auch der Kanzler, so gewinnt er doch die Wahlschlacht.“
Fritz war kein „rasender Reporter“, im Gegenteil, er war die Ruhe in Person, ihn konnte nichts aus der Fassung bringen. Ich bin in den 1970er-Jahren als junger Reporter oft mit ihm unterwegs gewesen. Einmal zu einem Bankraub entsandt, lief ich aufgeregt zu ihm in die Dunkelkammer, forderte ihn auf, mit mir sofort zum Tatort zu fahren . . .
. . . doch der nuckelte seelenruhig an seiner Pfeife und sagte: „Fahr du zu dein Bankraub, i fahr mit der Traudl ins Parla.“ Für Nicht-Wiener übersetzt heißt das, er würde sich nun in die Straßenbahn setzen und ins Parlament begeben. Bankraub hin oder her.
Fritz kam am 29. Dezember 1925 in Wien zur Welt. „Mein Vater begeisterte sich schon mit zehn Jahren für die Fotografie“, erzählt sein Sohn Alexander Klinsky, „er bekam einen Fotoapparat geschenkt und entwickelte in der Küche seiner Eltern die ersten Negative. Mit 17 begann er“ – die Nationalsozialisten waren bereits an der Macht – „eine fotografische Lehre bei der Volkswohlfahrt-Lichtbildstelle, die er wegen einer Lungenkrankheit abbrechen musste.“ Sein erstes Bild aus dieser Zeit zeigt das Parlament an der Ringstraße, das nun als „Gauhaus“ Sitz der NSDAP war. „Einmal wurde er eine Nacht im Gestapo-Hauptquartier am Morzinplatz festgehalten, weil er den Sonnenuntergang bei der Reichsbrücke fotografiert hatte, worauf ihn die Nazis verdächtigten, militärische Geheimnisse abgelichtet zu haben.“
Die Mutter verloren
Als er 19 war, kam Fritz Klinskys Mutter bei einem Bombenangriff ums Leben, seinen Vater sah er selten, da der als Ober oft bis spätnachts in einer Gastwirtschaft arbeitete.
Nach dem Krieg fotografierte Fritz für österreichische und internationale Presseagenturen, ehe er für die Tageszeitungen Bildtelegraf und Express tätig war. 1960 stellte ihn Hugo Portisch im KURIER an, ab 1977 fotografierte er sieben Jahre bis zu seiner Pensionierung für die Wochenpresse. Mit Portisch, Hellmut Andics und Gerhard Jagschitz arbeitete Klinsky auch an zeitgeschichtlichen Fernseh- und Fotodokumentationen.
„Fritz verfügte über den journalistischen Instinkt, um zur richtigen Zeit mit seiner Kamera am richtigen Ort zu sein“, erzählt der KURIER-Sportkolumnist und damalige Reporter Wolfgang Winheim. „Ohne je hektisch gewesen zu sein, war er für den KURIER manchmal früher am Tatort als Polizei und Gendarmerie.“
Doch selbst, wenn er einmal zu spät kam, etwa zu einer Pressekonferenz, war’s kein Problem, weiß der frühere Presse-Fotograf Harald Hofmeister: „Wenn er noch nicht da war, hieß es unter Kollegen: ,Der Kli ist noch net da, wart ma no a bissl’.“
Die damalige KURIER- und heutige Profil-Kolumnistin Elfriede Hammerl beschreibt Klinsky als „ausgesprochen liebenswerten, angenehmen Kollegen. Er war kompetent, uneitel, gelassen und humorvoll“.
Es gibt kaum ein Ereignis, keine bedeutsame Persönlichkeit, die Fritz Klinsky in seiner Zeit als Pressefotograf nicht abgelichtet hätte. Er war 1961 beim Wiener Gipfeltreffen Kennedy-Chruschtschow dabei und 1969 beim Staatsbesuch der Queen Elisabeth. Ausgerüstet mit (natürlich analogen) Leica- oder Nikon-Kameras, war er Zeitzeuge des Volksaufstands in Ungarn 1956 und des „Prager Frühlings“ 1968, um diese historischen Bilder in die Redaktion zu funken. Er scheute aber auch davor nicht zurück, die Auswirkungen der verheerenden Erdbeben in Skopje 1963 und Friaul 1976 zu dokumentieren. Und er eilte natürlich in der Sekunde zur Wiener Reichsbrücke, als deren Einsturz gemeldet wurde.
Abgesehen vom „liegenden“ Kreisky saßen oder standen auch alle anderen Kanzler und die Bundespräsidenten vor seiner Linse. Er lichtete Weltstars von Romy Schneider bis Curd Jürgens ab, der übrigens auf demselben Opernball seine Frau Simone infolge ihrer Eifersucht ohrfeigte (da war allerdings kein Fotograf dabei). Schon 1967 stand Fritz Klinsky bei Peter Wecks Hochzeit in Dürnstein direkt neben dem Traualtar. Gefragte Objekte waren auch Modezar Fred Adlmüller und dessen Mannequins, weiters Sportidole wie Toni Sailer, Erika (heute Erik) Schinegger und der junge Hans Krankl.
Fritz Klinsky war für den KURIER bei sportlichen Großereignissen wie den Winterolympiaden in Innsbruck 1964 und 1976 dabei. Fuhr er einst per Motorrad zum Einsatz, so war es später sein stets blank geputzter VW Käfer, den Polizisten am Presse-Schild an der Windschutzscheibe erkannten und die „den Fritz“ möglichst nahe zum Tatort fahren ließen.
Nach Fritz Klinskys Tod im Jahr 2002 erforschte und archivierte der als Theaterwissenschaftler in Hamburg lebende Alexander Klinsky die fotografischen Spuren seines Vaters, bestehend aus 20.000 Negativen und Papierbildern.
Denn was immer in seiner 40-jährigen Reportertätigkeit geschah – Fritz Klinsky hat es dokumentiert. Und mit jedem seiner Bilder ein Stück Zeitgeschichte festgehalten.
>> Mehr "Geschichte mit Geschichte" lesen Sie hier.
Kommentare