Das traute sich nicht einmal Claus Peymann: das Stück „Burgtheater“ auf der gleichnamigen Bühne aufzuführen. Gemeint ist das „Skandalstück“, in dem Elfriede Jelinek das Verhalten der Familie Hörbiger-Wessely in der Zeit des Nationalsozialismus aufzeigt.
Jener Familie also, deren Mitglieder zu den bedeutendsten Schauspielern des Burgtheaters zählten. Claus Peymann lehnte es als Direktor des Burgtheaters ab, dieses Stück ausgerechnet an diesem Theater zu spielen. Das holt jetzt sein seit wenigen Tagen im Amt befindlicher Nachfolger Stefan Bachmann nach, der keine diesbezüglichen Berührungsängste hat: „Burgtheater“ feiert am 18. Mai 2025 seine Burgtheater-Premiere.
Noch ein Wirbel?
Ob Jelineks Stück noch einmal einen solchen Wirbel hervorrufen wird wie 1985, als es in Bonn uraufgeführt wurde?
Eigentlich zählt der neue Burgtheaterdirektor nicht zu den lauten Theatermachern. Ganz im Gegensatz zu etlichen seiner rund 40 Vorgänger an diesem Haus, die sich selbst mindestens ebenso in Szene setzten wie die Stücke an ihrem Theater. Direktor an der „Burg“ zu sein, galt wegen der Vielfalt der Schauspieler, der Regisseure und des Publikums immer schon als „der unmöglichste Theaterjob der Welt“.
Auch wenn er Jelineks „Burgtheater“ nicht aufführte, ist Claus Peymann infolge seiner lautstarken Auseinandersetzungen mit Politikern, Journalisten und dem eigenen Ensemble in Erinnerung geblieben. Wie auch andere Direktoren vor ihm. Heinrich Laube etwa war eine Art „Peymann des 19. Jahrhunderts“. Auch er kam aus Deutschland, ist als Revolutionär sogar in Festungshaft gesessen und duldete als Burgtheaterdirektor (1849-1867) keinen Widerspruch, frei nach seinem Motto: „Ein guter Theaterdirektor benötigt drei Jahre, um sich überall Feinde zu schaffen“. Laube schaffte das in wesentlich kürzerer Zeit und zählt dennoch – insbesondere durch die Pflegte des klassischen Dramas – zu den bedeutendsten Direktoren des Hauses.
Der Kaiser interveniert
Direktor Adolf Wilbrandt (1881-1887) holte Katharina Schratt ans Burgtheater und machte sich damit selbst das Leben zur Hölle. Denn wann immer ihr eine Rolle, ein Regisseur oder gar eine Konkurrentin nicht passte, lief sie zu ihrem Freund, dem Kaiser, der ihr nicht nur einmal schrieb, „die nächste Gelegenheit nützen zu wollen, um dem Generalintendanten Ihren Wunsch vorzutragen“.
Direktor Wilbrandt und gleich drei seiner Nachfolger blieb nichts anderes übrig als die vom Kaiser via Schratt vorgebrachten Interventionen zu akzeptieren. Als jedoch 1898 der Berliner Theaterkritiker Paul Schlenther die Leitung der „Burg“ übernahm, setzte der sich über alle Wünsche der Schratt hinweg. Sie kündigte im Zorn und ließ ihr Verhältnis zum Kaiser deutlich abkühlen, worunter der zusehends einsamer werdende Monarch sehr litt. Schlenthers wichtigste Leistung war es, den Schauspiel-Titan Josef Kainz ans Burgtheater zu holen.
Der erste „Direktor“
Es war Kaiser Joseph II., der die „Burg“ 1776 als „Teutsches Nationaltheater“ gegründet hatte. Sein Interesse am Bühnengeschehen war so groß, dass er das Theater fast allein führte und somit mehr oder weniger der erste Burgtheaterdirektor war. Die Folgen waren mitunter skurril, weil Joseph in den Spielplan eingriff, oft selbst entschied, wer welche Rolle bekam und sogar davor nicht zurückschreckte, Schillers „Fiesco“ durch Streichungen und Hinzufügungen „zu verbessern“. Das Burgtheater feierte dennoch große Erfolge, vorerst weniger als Sprech- denn als Opernbühne, vor allem mit Mozart-Werken.
Raoul Aslan (1945-1948)
Josef Gielen (1948-1954)
Adolf Rott (1954-1959)
Ernst Haeusserman (1959-68)
Paul Hoffmann (1968-1971)
Gerhard Klingenberg (1971-76)
Achim Benning (1976–1986)
Claus Peymann (1986–1999)
Klaus Bachler (1999–2009)
Matthias Hartmann (2009-14)
Karin Bergmann (2014-2019)
Martin Kušej (2019-2024)
Stefan Bachmann (seit 2024)
Krisen an der „Burg“
Die „Burg“ war damals noch in einem viel kleineren Haus am Michaelerplatz untergebracht und bezog ihr jetziges Domizil an der Ringstraße erst 1888 unter dem interimistischen Direktor Adolf von Sonnenthal, der auch zu den wichtigsten Schauspielern des Hauses zählte.
In der Ersten Republik schlitterte das Burgtheater von einer Krise in die andere. Doch statt zu sparen, eröffnete der Dichter Anton Wildgans (Direktor 1921/1922 und 1930/1931) das Akademietheater als zusätzliche Bühne. Mit einer Festvorstellung vor fast leerem Haus, weil das Publikum durch einen Druckerstreik nicht von dem Ereignis verständigt werden konnte. 1931 wurde im Parlament ernsthaft darüber diskutiert, das Burgtheater in ein Kino umzubauen. Um das zu verhindern, kürzte Wildgans die Gagen der Schauspieler. Der Direktor bewahrte dabei seinen Humor: „Ich bin die einzige Wildgans“, sagte er, „für die es keine Schonzeit gibt“. Dann trat er zurück.
Österreichische Dichter
Am 11. April 1945 durch einen Bombenangriff ausgebrannt, zog die „Burg“ unter dem großen Schauspieler und Direktor Raoul Aslan ins Varieté Ronacher ins Exil. Zu den legendären Nachkriegsdirektoren zählte auch Ernst Haeusserman, der Grillparzer, Nestroy, Schnitzler und Hofmannsthal in den Mittelpunkt des Spielplans stellte. Bekannt für seine scharfzüngigen Bemerkungen, kommentierte der 52-jährige Haeusserman seine ungewollte Ablöse als Direktor durch den 66-jährigen Kammerschauspieler Paul Hoffmann mit den Worten: „Ich habe mich entschlossen, mein Amt in ältere Hände zu legen!“
„Diese Deutschen!“
Paul Hoffmanns Nachfolger Gerhard Klingenberg holte Claus Peymann als Regisseur ans Haus, der zehn Jahre später selbst Direktor wurde. Stars wie Erika Pluhar, Fritz Muliar, Susi Nicoletti, Franz Morak und Michael Heltau protestierten heftig gegen ihn, vor allem, weil er das österreichische Ensemble zugunsten deutscher Schauspieler vernachlässigte.
Das Problem war nicht neu: Albert Heine – der erste Direktor nach dem Zusammenbruch der Monarchie – war mit dem Ergebnis einer Probe so unzufrieden, dass er laut aufschrie: „Diese Deutschen soll doch alle der Teufel holen!“
Noch ehe er den Satz beendet hatte, bemerkte er, dass neben ihm der beliebte, aus Sachsen stammende Hugo Thimig saß. Also fügte er schnell hinzu: „Sie, Herr Hofschauspieler, sind natürlich längst schon ein Wiener!“
Die Pointe am Rande: Direktor Heine stammte aus Braunschweig.
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