Die Hörbigers: Kleine Geschichten einer großen Dynastie
Als Paula Wessely und Attila Hörbiger am 23. November 1935 im Wiener Rathaus heirateten, konnten sie nicht ahnen, dass sie soeben den Grundstein für die größte und wohl auch bedeutendste Schauspielerdynastie des deutschen Sprachraums gelegt hatten.
Das war nicht so geplant, ganz im Gegenteil, ihren drei Töchtern waren ganz andere Wege vorherbestimmt: Elisabeth, die älteste, sollte Filmcutterin werden, Maresa, die jüngste, Journalistin und die mittlere Christiane Zuckerbäckerin.
Nur Film und Theater
Doch die Schwestern kannten in ihrer Kindheit nichts anderes als Film und Theater. Vormittags waren die Eltern auf der Probe, nachmittags lernten sie ihre Rollen, abends hatten sie Vorstellung.
Mama Paula war durch ihren ersten Film Maskerade längst eine Berühmtheit und Vater Attila als Jedermann bei den Salzburger Festspielen ein Bühnenstar. Doch während man sie schon „die Wessely“ nannte, konnte man zu ihm nicht gut „der Hörbiger“ sagen, weil das die Verwechslungsgefahr mit seinem populären Bruder, dem Volksschauspieler Paul Hörbiger, vergrößert hätte.
Fast jeder und jede in dieser Familie landete auf der Bühne und/oder vor der Kamera. Die Nachfahren von Paul haben dieses „Hörbiger-Gen“ ebenso wie die des Glamour-Paares Attila und Paula.
Ihr Vater war Fleischhauer auf der Sechshauser Straße in Wien, doch dessen Schwester Josephine Wessely hatte eine große Karriere am Burgtheater gemacht, auch sie wurde schon „die Wessely“ genannt, starb aber mit nur 27 Jahren, angeblich an „gebrochenem Herzen“, weil sie die Liaison mit einem verheirateten Grafen nicht verkraftet hatte.
Kein Wort Deutsch
Weder Paul noch Attila Hörbiger hatten eine Schauspielausbildung, und beide konnten in ihrer Kindheit – da sie in Budapest aufgewachsen sind – kein Wort Deutsch. Während man Attila anfangs auf der Bühne Unbeholfenheit vorwarf, verfügte Paul über eine Naturbegabung, die ihm innerhalb kürzester Zeit die Sympathien des Publikums und seiner Kollegen brachte. Insbesondere der weiblichen, was am Deutschen Theater in Prag eine blutige Tragödie zur Folge hatte.
Als Paul sich in die Schauspielerin Josepha „Pippa“ Gettke verliebte, nahm ein eifersüchtiger Schauspielkollege einen Revolver zur Hand und schoss auf den 27-jährigen Paul Hörbiger, der dabei lebensgefährlich verletzt wurde. Er heiratete seine „Pippa“ am Sterbebett, ist aber wie durch ein Wunder nach mehreren Monaten genesen. Seine beiden Enkel sind heute feste Bühnen- und Fernsehgrößen: Mavie Hörbiger und Christian Tramitz.
Die Enkelgeneration
Aber auch Attila Hörbigers und Paula Wesselys Enkel machten Karriere: Cornelius Obonya und Manuel Witting als Schauspieler und Sascha Bigler – der Sohn Christiane Hörbigers – als Regisseur.
Die Vorfahren der Brüder Attila und Paul hatten nichts mit der Bühne zu tun. Und doch war auch ihr Vater ein berühmter Mann: Hanns Hörbiger machte sich als Entdecker der „Welteislehre“, die den Ursprung der Erde erklären sollte, einen Namen. Weiters gründete er die Hoerbiger Ventilwerke, aus der ein heute noch bestehender Großkonzern mit weltweit mehreren tausend Mitarbeitern wurde.
Hanns Hörbiger war strikt dagegen, dass sein jüngster Sohn Schauspieler wird. Er ging dabei so weit, dass er einem Direktor, bei dem Attila zum Vorsprechen angemeldet war, schrieb: „Ich bitte Sie inständig, davon Abstand zu nehmen, meinen Sohn, Herrn Attila Hörbiger, zu engagieren, da er lernunwillig, unverlässlich und am Theater viel weniger interessiert ist als an sportlichen Betätigungen wie Boxen und Fußballspiel.“
"Keine Helden“
Attila avancierte dennoch wie sein Bruder Paul und seine Frau Paula zum Star an Max Reinhardts Berliner Bühnen, ehe alle drei in den 1930er-Jahren Karrieren im Kino machten.
Doch während Paul in der NS-Zeit ausschließlich in Unterhaltungsfilmen mitwirkte, scheuten Attila und die Wessely nicht davor zurück, 1941 mit Heimkehr einen üblen Propagandafilm zu drehen. Die Szene, in der sie „nicht bei Juden kauft“ und dank Hitler „eine bessere Welt“ prophezeit, war für Propagandaminister Goebbels „das Beste, was je im Film gedreht worden ist“.
„Meine Eltern waren keine Helden“, sagte Christiane Hörbiger, „aber man muss ihnen zugutehalten, dass sie ihre Stellung im Dritten Reich dazu genutzt haben, Einzelnen zu helfen.“ Tatsächlich mussten sich Paula Wessely und Attila Hörbiger nach dem Krieg einem „Entnazifizierungsverfahren“ stellen. Und in dem ist ihre Hilfsbereitschaft Verfolgten gegenüber dokumentiert.
Paul hingegen wurde nach 1945 als Held gefeiert, zumal er gegen Ende des Naziregimes einer Widerstandsgruppe angehört hatte, von der Gestapo verhaftet wurde und drei Monate im Gefängnis saß.
Nach kurzer Theater- und Filmsperre durfte das Ehepaar Hörbiger-Wessely wieder auftreten, und alle drei spielten jetzt auf Wiens großen Bühnen und im Film – Paul vor allem an der Seite seines kongenialen Partners Hans Moser.
Familiendrama
Doch bald erlebten die Hörbigers ein weiteres Familiendrama, das nicht nur in Österreich Aufsehen erregte: Pauls und Attilas älterer Bruder Alfred starb an den Folgen einer mysteriösen Vergiftung, wobei Paul vermutete, dass er einem Mordanschlag zum Opfer gefallen sei und Anzeige gegen ein Familienmitglied erstattete. Attila hingegen glaubte an einen natürlichen Tod Alfreds.
Der „Bruderzwist im Hause Hörbiger“ führte zu zahllosen Prozessen, die sich über zwölf Jahre hinzogen, eine Tötung durch Fremdverschulden jedoch weder bestätigen noch widerlegen konnten. Paul war am Ende durch Anwalts-, Gerichts- und Sachverständigenkosten um das Vermögen gekommen, das er sich in Jahrzehnten durch seine Filme erarbeitet hatte.
Die Brüder fanden erst im Alter über gemeinsame Burgtheaterauftritte wieder zueinander. Kollegen schmunzelten, da Paul und Attila, wenn sie bei Proben aufeinandertrafen, die Rituale ihrer Jugend fortsetzten: Beide waren über 80, aber Paul behandelte Attila immer noch als „kleinen Bruder“, dem er Tipps gab, wie er die Rolle anzulegen hätte und spielte ihm das gelegentlich auch vor.
Lieder für Udo Jürgens
Eines der wenigen Familienmitglieder, die als Schauspieler erfolglos blieben, war Pauls Sohn Thommy Hörbiger. Den Erfolg hatte er dafür als Textdichter. Udo Jürgens verdankte ihm drei seiner bekanntesten Titel, nämlich Siebzehn Jahr blondes Haar, Merci Chérie und Immer wieder geht die Sonne auf.
Die Begabteste von allen
Die Töchter aus dem Hause Hörbiger-Wessely feierten hingegen alle drei ihren Durchbruch am Theater. Als schließlich Maresa, die jüngste, ihren ersten Auftritt hatte, zeigte sich Vater Attila euphorisch: „Du bist die Begabteste von allen!“ Freilich sollte Maresa erfahren, dass er das, wortwörtlich, auch zu den beiden anderen sagte.
Als Paul Hörbiger im März 1981 mit 86 Jahren im Krankenhaus Lainz seinem Ende entgegensah, erhielt er einen Anruf von Attila. Interessant, dass die beiden bei diesem letzten Telefonat Ungarisch miteinander sprachen – in der Sprache, die sie seit ihrer Kindheit nicht mehr gesprochen hatten. An Pauls Begräbnis nahmen 20.000 Menschen teil, und als die Schrammeln das Fiakerlied spielten, blieb kein Auge trocken.
Attila Hörbiger starb 1987 mit 91 Jahren, die Wessely 2000 im Alter von 93 Jahren.
Nun ist mit Christiane Hörbiger eine ganz Große aus der nächsten Generation des Hauses Hörbiger-Wessely dahingegangen.
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