Herbert von Karajan galt als schwieriges Genie am Dirigentenpult. Einmal dirigierte er an der Mailänder Scala Puccinis „La Bohème“ und verlangte plötzlich, dass der Tenor Giuseppe di Stefano durch einen anderen Sänger ersetzt würde, weil er eine bestimmte Arie in einer der Vorstellungen „mit zu wenig Inbrunst“ gesungen hätte.
Als die Scala-Direktion zu vermitteln versuchte und einwandte, dass di Stefano die Arie genau wie von Puccini vorgeschrieben gesungen hätte, protestierte Karajan mit den Worten: „Hier irrte Puccini!“
Marcel Prawy und der Kritiker Hans Weigel waren zeitweise gar nicht gut aufeinander zu sprechen. Das muss man wissen, um die folgende Episode, die sich Ende der 1950er-Jahre im Café Volksoper zugetragen hat, verstehen zu können.
Als Weigel dort eines Abends neben der Schauspielerin Louise Martini saß, betrat ein stattlicher Herr das Lokal und grüßte höflich – zuerst Louise Martini und dann Hans Weigel. Worauf die Beiden den Gruß ebenso höflich erwiderten.
Kaum war der stattliche Herr außer Sichtweite, fragte Weigel – der extrem kurzsichtig war – seine Tischnachbarin, wer der Herr gewesen sei, den sie gerade gegrüßt hätten.
„Das war der Prawy“, antwortete Louise Martini.
Kaum hatte Weigel diese Auskunft erhalten, begann er aufgeregt in seiner Aktentasche nach irgendwelchen Papieren zu suchen. Als er sie endlich gefunden hatte, sprang er auf und lief Prawy nach. Sobald er ihn eingeholt hatte, hielt er diesem die mitgebrachten Unterlagen vors Gesicht und sagte: „Das sind ärztliche Atteste, die bescheinigen, dass ich schlecht sehe. Nur so konnte es passieren, Herr Doktor Prawy, dass ich Sie gegrüßt habe.“
Sprach´s und ging – diesmal selbstverständlich grußlos – zurück an seinen Tisch.
Leonard Bernstein dirigierte in allen großen Opernhäusern der Welt und verbrachte einen Großteil seiner Zeit im Flugzeug. Wien war eine seiner liebsten Stätten, er kam einmal aus New York, dann aus Tokio, Paris oder London. Und er lachte darüber und sagte einmal: „Wenn es auf den Flughäfen keine Leibesvisitationen gäbe, hätte ich überhaupt kein Sexualleben mehr.“
Ioan Holender ist als längstdienender Direktor in die Geschichte der Wiener Staatsoper eingegangen. Im ersten Jahr stand er jedoch noch im Schatten des eigentlichen Direktors Eberhard Waechter. Erst nach dessen plötzlichem Tod im März 1992 übernahm Holender die alleinige Leitung des Hauses. Aber bis dahin war er selbst im Opernhaus bei weitem nicht so bekannt wie später dann.
Der Zuschauerraum war schon abgedunkelt, als Holender eines Abends zu spät in die Vorstellung kam. Die Ouvertüre hatte bereits begonnen, da schlich der Co-Direktor zu seiner Loge. Leider hatte er die Rechnung ohne den Platzanweiser gemacht. Der hielt ihn am Rockzipfel fest und flüsterte: „Ihre Karte bitte!“
Der Direktor flüsterte zurück: „Ich bin Holender!“
Darauf der Billeteur: „Ticket please!“
Als ich einmal für den ORF eine Dokumentation über die Kapuzinergruft schrieb, interviewte ich in einem Studio Otto von Habsburg, der während der Dreharbeiten über seine dort ruhenden Vorfahren sprach. Als die Kameras ausgeschaltet waren, plauderten wir noch weiter, und da fragte ich Otto von Habsburg, wie oft er bisher in der Gruft seiner Ahnen gewesen sei.
„Ich war“, antwortete er, „nur drei Mal dort. Das erste Mal als Kind 1916 beim Begräbnis Kaiser Franz Josephs. Dann war ich einmal in den 1970er-Jahren dort, um mir die Sarkophage in Ruhe ansehen zu können. Und zuletzt 1989, beim Begräbnis meiner Mutter, Kaiserin Zita. Ja, drei Mal bin ich dort gewesen.“
Ich sah den Sohn des letzten Kaisers verwundert an und fragte: „Sie waren nur drei Mal in der Kapuzinergruft?“
„Ja, wissen Sie“, lächelte er, „jedes Mal, wenn ich dort hinkomme, habe ich den Eindruck, die Patres schau’n mich ganz genau von oben nach unten an, um schon einmal Maße zu nehmen. – Für später dann!“
Mittlerweile hat Otto von Habsburg dort tatsächlich seine letzte Ruhe gefunden.
Eine Geschichte, die mir Paul Hörbiger schilderte: Er gehörte in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs einer Widerstandsbewegung an, zu der eines Tages Hans Moser als Gast stieß. Ein befreundeter Cafétier hatte der Runde im Schleichhandel in einer für das Kriegsjahr 1944 unvorstellbaren Qualität und Menge Lebensmittel besorgt. Kaum war das konspirative Gespräch beendet, schritten die Herren zum gemeinsamen Abendessen. Die Türen wurden geöffnet und die Künstlerrunde betrat den Speiseraum. Da blieb Hans Moser kurz stehen, schaute sich erstaunt die Leckerbissen an und sagte zu den Freunden: „Und so wollt’s ihr den Krieg verlieren?“
Ehe Billy Wilder den berühmten Film „Zeugin der Anklage“ drehte, wusste er schon, wie er mir einmal erzählte, dass Marlene Dietrich die ideale Besetzung für die Rolle der Varietésängerin wäre, die ihren Mann am Ende eines langen Prozesses im Gerichtssaal tötet. Als der Meisterregisseur der damals 57-jährigen Diva die Rolle anbot, lehnte sie vorerst mit der Begründung ab, dass sie das Publikum so in Erinnerung behalten sollte, wie sie in jüngeren Tagen ausgesehen hatte.
Nach längeren Verhandlungen gelang es Wilder dennoch, die Zusage der Dietrich zu erhalten – jedoch nur unter der Bedingung, dass ein bestimmter Maskenbildner, mit dem sie schon einmal gearbeitet hatte, zur Verfügung stünde. Glücklicherweise gelang es Wilder, des Schminkmeisters habhaft zu werden, worauf die Probeaufnahmen beginnen konnten.
Ein paar Tage später traf die Crew zusammen, um sich die ersten Bilder des Films anzusehen. Die Dietrich war entsetzt: „Billy, ich sehe schrecklich aus, es ist eine Katastrophe.“
„Ja, weißt du, Marlene“, erwiderte Wilder, „du darfst nicht vergessen, dass der Maskenbildner seit eurem letzten Film um zehn Jahre älter geworden ist!“
Der Industrielle Manfred Mautner Markhof senior trug einen imposanten Backenbart, der an den alten Kaiser Franz Joseph selig erinnerte. Während des Treffens von John F. Kennedy und Nikita Chruschtschow, im Mai 1961 in Wien, schien dieser Bart zum Auslöser einer Verwechslung zu werden. Beim Galadiner für die beiden Politiker im Schloss Schönbrunn waren höchste Vertreter der Gesellschaft anwesend, zu denen natürlich auch Mautner Markhof zählte. Dieser hielt sich, als der US-Präsident und der Kremlchef am Ende des Festes zum Aufbruch drängten, im großen Spiegelsaal auf. Kennedy, der während des ganzen Abends einem Porträt Kaiser Franz Josephs gegenüber gesessen war, sah nun Mautner Markhof mit seinem Backenbart leibhaftig vor sich stehen. Der Präsident der Vereinigten Staaten ging auf ihn zu, reichte ihm die Hand und sagte: „Thank you very much!“
Man vermutete damals, dass Kennedy den Industriellen Mautner Markhof für den alten Kaiser gehalten hatte.
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