Der Sonntag feiert Geburtstag
Jahrein, jahraus konnten KURIER-Leser ihre Lieblingszeitung von Montag bis Samstag genießen. Heute vor 50 Jahren war’s dann endlich so weit, dass der erste Sonntag-KURIER erschien. Das bedeutete – und bedeutet bis heute – für Tausende Leser einen gewaltigen Informations- und Unterhaltungsschub am Wochenende. Blättern Sie mit mir durch die erste Ausgabe des Sonntag-KURIER, erschienen am 23. August 1970. Erstaunlich, wie viele Geschichten uns da begegnen, die heute noch von Interesse sind.
Kinder gerettet
Als „Blattaufmacher“ wählten unsere Journalistenkollegen des Jahres 1970 eine berührende Story: „Sechs Kinder gerettet, bevor Haus einstürzte!“, lautete der Titel. Tatsächlich hatte ein 35-jähriger Förster im Kärntner Bärental seine Kinder im Alter von ein bis sechs Jahren vor dem sicheren Tod bewahrt, als für sein Haus die Gefahr bestand, von den Wassermassen eines Unwetters weggeschwemmt zu werden. Wenige Minuten nachdem er die Kinder und seine Frau in Sicherheit gebracht hatte, war das Haus der Familie überflutet und zerstört.
Bauernproteste
In der Innenpolitik druckte der erste Sonntag-KURIER die Forderung des Bauernbundes ab, dass der erst seit vier Monaten im Amt befindliche Bundeskanzler Bruno Kreisky die Senkung des Milchpreises zurücknehmen und den Wein von der zehnprozentigen Alkoholsteuer befreien sollte. „Hier ist die groteske Situation eingetreten“, heißt es in dem Artikel, „dass 1968 die SPÖ gegen, die ÖVP für die Sondersteuer gestimmt hat. 1970 ist es umgekehrt – die SPÖ ist für die Sondersteuer, die ÖVP dagegen. Übrig bleiben die Bauern, die zahlen müssen.“
Kupfer auf Draht
In der Gesellschaftskolumne „Kupfer auf Draht“ schreibt Peter Kupfer auf Seite 8, dass die Post beschlossen hatte, Robert Stolz zum bevorstehenden 90. Geburtstag eine Briefmarke zu widmen: „Die österreichische Post ehrt Lebende niemals, ausgenommen die Herren Bundespräsidenten“, steht in einem Brief der Post an den Operettenmeister. „Dies ist in Anbetracht Ihrer Leistungen eine Ausnahme.“ Stolz lächelte und sagte: „Hab ich a Glück, dass mich die Leute kennen, sonst würden die mich glatt für den Franz Jonas halten.“
Aus dem Chronik-Ressort erfährt man, dass ein 23-jähriger Arbeiter, der in einem Kaffeehaus in Wien-Fünfhaus in eine Rauferei verwickelt wurde, plötzlich eine Pistole zog und ins Publikum feuerte. Dabei wurde ein völlig unbeteiligter Gast von einer Kugel getroffen und getötet.
Liebste Urlaubsländer
Einer Untersuchung zufolge war Italien im Sommer 1970 das liebste Reiseland der Österreicher. „Sonne, Meer und sorgloses Ausruhen“ seien die Gründe, die in Zeiten, als Corona noch unbekannt war, angeführt wurden. An zweiter Stelle stand der Urlaub im damaligen Jugoslawien, an dritter Stelle in Österreich.
Aus den USA kam der aufsehenerregende Bericht, dass ein alter Wunschtraum der Menschheit Wirklichkeit geworden sei. Der Gynäkologe Landrum Shettles gab bekannt, eine Möglichkeit gefunden zu haben, dass Eltern das Geschlecht ihres Kindes im voraus bestimmen könnten. Das Ergebnis seiner Forschungen: Wenn die Zeugung des Kindes während des Eisprungs, unmittelbar vorher oder nachher erfolgt, ist die Geburt eines Sohnes wahrscheinlich. Für eine Tochterzeugung hätte man hingegen einen Zeitpunkt zwei, drei Tage vor dem Eisprung zu wählen. „Ob diese medizinische Großtat als Segen oder als Fluch anzusehen ist“, kommentierte der Sonntag-KURIER vom 23. August 1970, „bleibt allerdings noch abzuwarten“. Vergessen ist die These jedenfalls bis heute, ein halbes Jahrhundert später, nicht. In Wikipedia findet sich unter dem Stichwort „Shettles-Methode“ der Eintrag: „Wenn ein Paar versucht, ein Kind zu zeugen, und dabei die verschiedenen Methoden anwendet, kann dies einen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit haben, einen Jungen oder ein Mädchen zu zeugen.“
Während die Produktion des KURIER heute voll digitalisiert ist, wurden in der Geburtsstunde unserer Sonntag-Zeitung die Manuskripte der Redakteure noch per Rohrpost in die Setzerei geschickt, wo die Texte in Blei gegossen wurden. Zu den bekannten Autoren des neuen Sonntag-KURIER zählten Karl Löbl, Elfriede Hammerl, Rudolf John, Wolfgang Winheim, der ehemalige Burgtheaterdirektor Ernst Haeusserman und „Seniorenclub“-Chef Ernst Hagen.
„Kuli“ verdient zu wenig
Apropos Fernsehen. Die Fernsehseite der neuen Zeitung bot – neben zwei bescheidenen ORF-Programmen, mehr gab es nicht – Sensationelles aus der Welt der Television. Hier wurde enthüllt, dass Vico Torriani pro Sendung „Der Goldene Schuss“ 20.000 DM (140.000 Schilling) kassierte, während Hans Joachim Kulenkampff für „Einer wird gewinnen“ nur 12.000 DM (84.000 Schilling) erhielt. „Kuli“ weigerte sich daraufhin weiterzumachen und legte eine längere Pause ein, ehe er sich vom ZDF überreden ließ, wieder aufzutreten. Die neue Gage: 30.000 DM (210.000 Schilling). Kommentar des Senders: „Für Kulenkampff jede Gage! Wir brauchen ihn!“
Wie schnell die Bedeutung einer Schlagzeile relativiert werden kann, zeigt ein Artikel, der im Sportteil des Sonntag-KURIER vom 23. August 1970 erschienen ist: „Jochen Rindt nur Dritter“ begann ein Bericht über das Formel-1-Rennen auf dem britischen Oulton Park, über dessen Ergebnis viele Leser enttäuscht waren.
Jochen Rindts Tod
Zwei Wochen später war Jochen Rindt tot, gestorben am 5. September 1970 in Monza beim Training zum Großen Preis von Italien.
Die traurige Nachricht stand wieder im Sonntag-KURIER.
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