Auch heute noch werden alte Winzerhäuser an Immobilienträger verkauft und abgerissen, aber dies ändert nichts an der Gesamtzahl der rund 100 Wiener Heurigenbetriebe, da immer wieder neue hinzukommen. „In Wien gibt es jedenfalls kein Heurigensterben“, sagt Elmar Feigl vom „Verein der Wiener Heurigen“.
Verbotener Wein
Viel älter als der Heurige ist natürlich der Wein selbst, den gibt es schon seit 7000 Jahren. Vor zwei Jahrtausenden passierte dann Schreckliches, als nämlich Rom den Weinanbau in all seinen Provinzen untersagte. Womit auch in und um Vindobona, der weinseligsten Stadt des Reiches, das Pflanzen der Reben verboten war. Der Grund: Die bekanntermaßen dem Alkoholgenuss zugeneigten Römer fürchteten – nicht ganz zu Unrecht wohl –, dass unser Tropfen ihrem eigenen eine allzu starke Konkurrenz sein könnte.
Erst der römische Kaiser Probus hob das Verbot wieder auf, was wir ihm nie vergessen werden: Im Wiener Heurigenviertel Heiligenstadt erinnert heute noch eine Gasse an ihn, und das populäre Heurigenlied „Es steht ein alter Nussbaum“ besingt ihn mit der schönen Zeile: „Ja, der Kaiser Probus, kennt den ganzen Globus“.
Zwar zählt Österreich zu den führenden Weinländern Europas, doch wurde hier in früheren Zeiten wesentlich mehr angebaut als heute. Hauptgrund für den dramatischen Rückgang war ein katastrophales Weingartensterben im 19. Jahrhundert, als weite Teile des Landes von der Reblaus befallen wurden.
Dieses mit den Worten „I muss im früher’n Leben a Reblaus g’wesen sein“ oft besungene, aber keineswegs liebenswerte Tier war 1872 durch kalifornische Reben eingeschleppt worden und verbreitete sich so rasant, dass der Rebenhandel zeitweise zum Erliegen kam. Ganze Weinberge mussten gerodet werden, Winzer verarmten, und doch konnte man der Reblaus jahrzehntelang nicht Herr werden.
Moser und die „Reblaus“
Hans Moser, der berühmteste Interpret der „Reblaus“, hasste das Lied, weil darin ein Schmarotzer besungen wurde, der den Wein zerstörte. Er selbst saß auch privat gern beim Heurigen. Als einer von vielen Künstlern, die zu allen Zeiten die anregende Atmosphäre der Buschenschanken zu schätzen wussten.
Allen voran Franz Schubert, der sich 1821 im Wiener Vorort Salmannsdorf im ersten Stock eines Winzerhauses einmietete und diese Nachbarschaft mit seinen Zechkumpanen ausgiebig zu nutzen wusste. Nachdem er bei einem Grinzinger Heurigen eingekehrt war, notierte sein Freund Hartmann: „Wir alle waren rauschig, besonders aber Schubert. Um zwölf Uhr nach Hause.“
Oft gesehen in Buschenschanken wurden auch Ludwig van Beethoven – dessen 35 Wiener Wohnungen großteils in Heurigengegenden lagen –, Anton Bruckner, Franz Grillparzer und Ferdinand Raimund. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang, dass die Leber des Volksdichters – wie seinem Obduktionsbefund zu entnehmen ist – „widernatürlich groß“ gewesen sei.
Der Heurige und der Tod
Apropos: So fesch kann die Hetz gar nicht sein, dass beim Heurigen der Tod nicht ständig präsent wäre. Vor allem dann, wenn „aufg’spielt“ wird. Kaum ein Heurigenlied, in dem das Sterben nicht besungen wird: „Es wird a Wein sein und wir werden nimmer sein“, „Warum gibt´s im Himmel kann heurigen Wein“, „Verkauft’s mei G’wand, i fahr in Himmel“ oder .„Erst wenn’s aus wird sein mit aner Musi und an Wein“.
Doch geeichte Drahrer wissen, dass es so bald nicht aus sein wird mit ana Musi und schon gar nicht mit an Wein. Der Heurige hat alle Katastrophen überlebt, die je über unser Land hereingebrochen sind: das Weinbauverbot der Römer ebenso wie Kriege, die Pest und den Glykolskandal im Jahr 1985.
Gedanken machen sich die Winzer und Heurigenwirte dennoch über den Klimawandel. Dieser habe bisher zwar keine Auswirkungen auf die Qualität der Eigenbauweine, hört man aus dem „Verein der Wiener Heurigen“, aber die große Hitze verleitet immer mehr Wiener an Nachmittagen ins Schwimmbad statt zum Heurigen zu gehen.
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