Wo Bambi wirklich zuhause ist

Wo Bambi wirklich zuhause ist
Walt Disneys weltberühmtes Rehkitz. Die berührende Geschichte ist vor 100 Jahren in Österreich entstanden.

Es gibt in den Abertausenden Filmen, die in Hollywood produziert wurden, kaum eine Szene, die ergreifender ist als die, in der das Rehkitz Bambi vom Tod seiner Mutter erfährt. Der Ursprung dieser „Lebensgeschichte aus dem Walde“ liegt im Wien der 1920er-Jahre, von wo aus sie auf verschlungenen Wegen in die USA gelangte. Dort bekam Walt Disney den Roman „Bambi“ des österreichischen Schriftstellers Felix Salten in die Hände, aus dessen Handlung er einen der berühmtesten Zeichentrickfilme aller Zeiten gestaltete.

Wo Bambi wirklich zuhause ist

Die Szene, in der Bambi zwischen Hoffnung und Verzweiflung auf die Nachricht von Mamas Ableben wartet, dauert im Film ganze 71 Sekunden. Am Ende dieser endlos lang erscheinenden Zeitspanne spricht Bambis Vater aus, was Millionen Kinder und Erwachsene befürchtet haben: „Your mother can’t be with you anymore.“ Bambis Mutter wurde auf einer Treibjagd erschossen.

Der Kampf Mensch-Tier

Der Film „Bambi“ erzählt von einem kleinen Hirschkalb, seiner Familie und anderen Tieren, von den Schönheiten und Gefahren der Natur. Der Roman behandelt auch das Zusammenleben und den Überlebenskampf Mensch-Tier. Doch trotz ihres traurigen Ausgangs ist „Bambi“ keine Geschichte gegen die Jagd – Felix Salten selbst war begeisterter Jäger.

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Bambis Schöpfer: der Wiener Felix Salten

Die meisten Menschen kennen „Bambi“ durch Walt Disneys geniale Verfilmung. Wie jede damals schon lebende Amerikanerin, jeder Amerikaner weiß, wo sie gerade waren, als John F. Kennedy ermordet wurde oder die Türme des World Trade Centers einstürzten, so weiß jede Amerikanerin, wann und wo sie Bambi zum ersten Mal gesehen hat. Ja, zum ersten Mal, denn den Filmklassiker lernt man als Kind kennen, sieht ihn dann als Mutter oder Vater mit den eigenen Kindern wieder und mindestens noch einmal mit den Enkeln. Bambi ist ein nationales Kulturgut Amerikas.

 

Und natürlich ein internationales. Die Literaturvorlage für den Film erschien im Dezember 1922 im Wiener Zsolnay-Verlag, als sein Schöpfer Felix Salten 53 Jahre alt war. Datiert ist das Buch aber mit 1923, weshalb heuer der 100. Geburtstag des Romans gefeiert wird. Nur wenige der Millionen Kino- und TV-Zuschauer in aller Welt wissen, dass die Vorlage zu „Bambi“ ein junger österreichischer Rehbock aus den Donau-Auen bei Stockerau ist, während Disneys Hauptfigur einen Hirschen darstellt. Der Grund: In Amerika gibt es keine Rehe. In der deutschen Synchronisation ist Bambi dann wieder ein Rehkitz.

Felix Salten als Jäger

Das Original stammt von dort, wo auch Felix Salten sein Jagdrevier hatte, der nach Erscheinen des Buches offen zugab: „Bambi wäre niemals entstanden, hätte ich nicht meine Kugel auf das Haupt eines Rehbocks oder Elches gefeuert.“ Er habe im Lauf seines Lebens in den Donau-Auen viele „Bambi-Mütter“ erlegt und gestand, dass in Wirklichkeit er es war, der auf Bambis Mutter zielte.

„Bambi“ wurde ins Englische übersetzt und erschien 1928 in Großbritannien und Amerika unter dem Titel „A Life in the Woods“ als Buch. Walt Disney kam über Vermittlung des Meisterregisseurs Billy Wilder, mit dem Felix Salten in Wien befreundet war, an den Stoff heran. Da Salten stets über seine Verhältnisse lebte und meist in Geldnot war, verkaufte er „Bambi“ 1933 zum Spottpreis von 1.000 Dollar an die Disney-Studios, womit alle Filmrechte abgegolten waren. Doch „Bambi“ spielte ab 1942 im Kino auf Anhieb 47 Millionen Dollar ein (die heute rund 850 Millionen Dollar entsprechen). Felix Salten – der eigentlich Sigmund Salzmann hieß – war mittlerweile vor den Nazis von Wien nach Zürich geflüchtet, wo er die Romanfortsetzung „Bambis Kinder“ schrieb, die jedoch nicht an den Erfolg des Originals heranreichte.

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Walt Disney hatte ein Gespür für Geschichten

Josefine Mutzenbacher

Die Walt-Disney-Pleite war nicht die einzige Finanzkatastrophe im Hause Salten. Literaturforscher gehen davon aus, dass der Schriftsteller bereits im Jahr 1906 das Buch „Josefine Mutzenbacher“ verfasst hatte. Doch da Salten, um einen gesellschaftlichen Skandal zu vermeiden, seinen Namen als Autor des pornografischen Bestsellers nicht preisgab, hatte er für alle Zeiten jeden Anspruch auf Honorierung der „Lebensgeschichte einer wienerischen Dirne“ verwirkt.

Salten starb am 8. Oktober 1945, drei Jahre nach Disneys „Bambi“-Verfilmung, verarmt in Zürich. Hätten er und seine Nachkommen nur ein Prozent der Einnahmen an Tantiemen erhalten, wären sie steinreich geworden. Saltens heute noch in der Schweiz lebende Enkelin Lea Wyler kämpfte seit 1990 vor dem Bundesgericht in Karlsruhe auch um einen Anteil an den „Mutzenbacher“-Einnahmen. Die Forderung wurde jedoch abgewiesen.

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