Gaffen: Polizei wünscht sich Haftstrafen
Vergangenen Freitag hatten rund 300 Schaulustige die Polizei und Berufsrettung am Reumannplatz in Wien-Favoriten bei einem Einsatz behindert. Es war einer der jüngsten Vorfälle mit Gaffern.
Was kann man gegen aufdringliche Schaulustige tun? Hilft nur noch das Strafen? Diesen Fragen stellten sich im KURIER-Talk Patrick Maierhofer von der Wiener Polizei, Dieter Pilat von der Grazer Berufsfeuerwehr, Mathias Gatterbauer von der Berufsrettung Wien und die Psychologin Isabella Woldrich.
Zusehen "menschlich"
Der Feuerwehrmann ist sich sicher: "In den vergangenen Jahren hat sich die Hemmschwelle verändert. Die Schaulustigen werden immer frecher." Er berichtet von einem Einsatz, bei dem Gaffer die Einsatzkräfte filmten, als diese versuchten, Unfallopfer aus einem Wrack zu bergen. "Sie begeben sich in absolute Lebensgefahr. Bei solchen technischen Rettungen fliegen Teile weg. Die können natürlich auch Schaulustige treffen, die dann selbst Verletzungen erleiden."
Psychologin Woldrich erklärt, dass das Zeitalter der Smartphones eine Mitschuld trägt: "Hinzusehen ist normal und menschlich. Das macht uns ja auch aus, neugierig zu sein. Jetzt ist das Handy dazu gekommen und das macht es unmenschlich – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn wenn ich filme, habe ich meineneigenen Krimi drauf. Ich habe keinen emotionalen Bezug mehr zum Geschehen und blende alles aus. Und bedrohe dadurch andere oder meine eigenes Leben", erklärt sie.
Auch Social-Media-Kanäle und sogenannte Leserreporter würden dabei eine Rolle spielen. "Die Leute erhoffen sich, Bargeldleistungen für das beste Foto zu bekommen. Wobei man dazu sagen muss, dass solch pietätlose Fotos nicht abgedruckt werden. Das heißt, es macht auch keinen Sinn das actionreichste Foto für die Zeitung zu machen", sagt Maierhofer. Um diese Sensationslust zu stoppen oder einzudämmen, kann laut Pilat nur durch eine Maßnahme funktionieren: Strafen. "Es gibt ein sehr gutes Beispiel mit den Silvesterraketen in Graz." Seit einigen Jahren gibt es das Verbot des Abschießens im Stadtgebiet. Seitdem es die Strafen gibt, hätten die Vorfälle "rigoros abgenommen." Für Pilat würden solche Maßnahmen eine Art "Werbewirkung" verursachen.
Bis zu zwei Jahre Haft
Auch die Polizei würde Strafen sinnvoll finden. Maierhofer: "Die Frage ist, wie weit man so etwas in Strafe stellen kann. Wenn sich jemand außerhalb der Absperrung aufhält und ein Handy in der Hand hält, wird das schwierig sein. Eine bessere Maßnahme wäre, wenn man es so wie in Deutschland macht. Dort wird die Behinderung der Einsatzkräfte mit Geld- oder Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren belangt. Das würde aus Sicht der Polizei mehr Sinn machen, als ein Handy-Verbot."
Für Psychologin Woldrich würden Strafen durchaus Wirkung zeigen: "Negative Konsequenzen verhindern zumindest einmal diese Gier nach Anerkennung." Doch Strafen allein würden nicht genügen, sagt Woldrich. Sie fordert eine Aufklärungskampagne an Schulen. Feuerwehrmann Pilat begrüßt diese Idee, denn das Thema müsse schon von "Kind auf" angesprochen werden.
Für Berufsretter Mathias Gatterbauer ist "präventive Aufklärungsarbeit" ein Muss. Bei der Berufsrettung Wien wird das Thema Gaffer mittlerweile groß geschrieben. So werden in naher Zukunft die Mitarbeiter entsprechend geschult: "Es ist im Kommen. Wir probieren bereits, diese Thematik einzubauen", sagt Gatterbauer. Statistisch gesehen, käme es laut dem Notfallsanitäter bei jedem fünften Einsatz zu Problemen mit Schaulustigen.
Die Ausforschung aggressiver Gaffern birgt jedoch einige Hindernisse, da sich die Einsatzkräfte dafür nicht die Zeit nehmen können. "Wenn man zum Einsatz kommt und schnell zur verletzten Person muss, stellt sich die Frage, ob man sich im Kreis drehen kann, um Leute aufzunehmen", sagt Gatterbauer. Auch die Psychologin spricht sich gegen Aufnahmen der Gaffer am Unfallort aus, denn das könnte dazu führen, dass Zeugen nur noch an ihre möglichen Fehler denken und deshalb lieber wegschauen. Ihr Vorschlag: verpflichtende Erste-Hilfe-Kurse.
Polizeisprecher Maierhofer wünscht sich kurzfristige Lösungen: "Wir haben aktuell die Problematik. Der Druck ist da, dass man sich etwas einfallen lässt – und das ein Gesetz in diese Richtung kommt."
Die gesamte Diskussion wird am Samstag ab 20.30 Uhr auf Schau TV ausgestrahlt.
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