Fall Kampusch wird neu aufgerollt
In knapp vier Wochen wird offiziell bekannt gegeben, wie das Parlament im Justizfall Kampusch verfahren wird. Das Ergebnis steht schon jetzt fest, wie der KURIER erfuhr. Der geheime Unterausschuss, der sich aktuell mit der weltberühmten Causa beschäftigt, hat sich festgelegt und wird Ende März eine entsprechende Empfehlung abgeben. Die da lautet: Der Fall Kampusch muss neu aufgerollt werden. Sollte dieser Empfehlung seitens des Justizministeriums nicht gefolgt werden, dann wird sich in einem weiteren Schritt ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss mit der Causa beschäftigen.
Justizministerin Beatrix Karl hat jedoch bereits signalisiert, sie werde sich neuen Erkenntnissen nicht verschließen und nötigenfalls entsprechende Schritte veranlassen. Also neue Ermittlungen. Vor allem in Richtung eines möglichen zweiten Täters. Und: FBI sowie deutsche Spezialisten sollen in beratender Funktion assistieren. In den Fokus gerät Ernst H. Er war der engste Vertraute von Entführer Wolfgang Priklopil, der am 23. August 2006, am Tag des Wiederauftauchens von Natascha Kampusch, von einem Zug erfasst und getötet wurde.
Der Verdächtige
Ernst H. klingt angespannt. „Nein, ich will nichts sagen.“ Dann endet das Telefonat. In einem Ermittlungsverfahren wird er mehr verraten müssen. Ernst H. wurde seit 2008 von Sonderermittlern als dringend verdächtig eingestuft, an der Kampusch-Entführung aus dem Jahr 1998 beteiligt gewesen zu sein oder zumindest davon gewusst zu haben – der KURIER berichtete ausführlich aus Unterlagen des 2010 verstorbenen Chefermittlers Franz Kröll, der H. in einem Protokoll als „Komplizen“ bezeichnete und der hinter dem Verbrechen einen Pornoring vermutete. Dennoch wurde H. niemals wegen Mittäterschaft angeklagt – die Staatsanwaltschaft stellte den Fall im Jänner 2010 ein. Fazit: Der tote Priklopil war ein Einzeltäter. 2011 führte der heute 48-jährige Ernst H. drei ausführliche Telefonate mit dem KURIER, in denen er Bemerkenswertes zum Besten gab.
Der Fluchthelfer
Ernst H. war der letzte Begleiter im Leben des Wolfgang Priklopil. Zunächst meinte H. gegenüber der Polizei, Priklopil habe ihm erzählt, er sei auf der Flucht, weil er betrunken gefahren sei. Dann präsentierte H. eine neue Version: Priklopil habe ihm die Entführung gestanden, bevor er sich umbrachte. Zum KURIER sagte Ernst H. zu den Widersprüchen: „Das war Selbstschutz, sonst wäre ich ja in Untersuchungshaft gekommen.“ Zudem meinte er, er habe Angst vor Priklopil gehabt. Dem KURIER jedoch liegt eine polizeiliche Tonbandaufzeichnung einer Rekonstruktion der letzten Stunden im Leben des Wolfgang Priklopil vor, wo H. kein Wort über eine Bedrohung durch Priklopil verliert. Ein von H. vorgelegter Abschiedsbrief Priklopils wies nach einem grafologischen Befund keinerlei Ähnlichkeit mit der Handschrift des Toten, dafür mit jener von H. auf.
Kronzeugen
Zeugen berichteten, H. gemeinsam mit Priklopil und Kampusch gesehen zu haben. Zudem hat H. nach dem Auftauchen von Natascha Kampusch stundenlange Telefonaten mit dem Opfer geführt. Zu einem Baggereinsatz auf dem Priklopil-Grundstück in Strasshof zur Zeit der Entführung 1998, meinte H. zum KURIER: „Wir haben nur ein bisschen herumprobiert.“ Am Ende des letzten Telefonats mit dem KURIER setzte sich Ernst H. sogar mit einer möglichen Kronzeugenregelung auseinander. Übrigens: Ein Verfahren gegen fünf Staatsanwälte wegen Verdachts auf Amtsmissbrauch (sie sollen wesentliche Ermittlungsergebnisse ignoriert haben) wurde auf Anraten der Staatsanwaltschaft Innsbruck eingestellt. Im Vorhabensbericht taucht auch der Name Ernst H. auf. Er wird darin als unglaubwürdig eingestuft.
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