Wie die Stadt mit dem weiten Horizont in die Zukunft blickt

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Als Wallfahrtsort zieht die inoffizielle Hauptstadt des Seewinkels seit Jahrhunderten Gäste an. Heute gibt es noch mehr Gründe für einen Besuch.

Was Paul Esterhàzy wohl dazu bewogen hat, in der flachsten Gegend Österreichs die höchste Kirche weit und breit bauen zu lassen? Überliefert ist nur, dass der Fürst 1687 gelobte, in Frauenkirchen eine Basilika zu Ehren der Gottesmutter zu errichten.

Bis heute dienen die 53 Meter hohen Kirchtürme der barocken Basilika „Maria auf der Heide“ als kilometerweit sichtbare Orientierungspunkte im Seewinkel.

Vielleicht liegt es am weiten Horizont, an den die Frauenkirchner Bevölkerung gewöhnt ist, der sie so ambitioniert in die Zukunft blicken lässt. Das trifft auch auf den Bürgermeister der 3.000-Einwohner-Stadt zu. Hannes Schmid (42) leitet hauptberuflich die HAK Frauenkirchen, seit zweieinhalb Jahren sitzt der SPÖ-Politiker auch auf dem Bürgermeistersessel. Wie sich das ausgeht? „Gott sei Dank hat mein Tag immer nur 24 Stunden“, scherzt der Vater von drei Töchtern.

Die Stadt wird grüner

Nachhaltigkeit ist eines der Themen, das Hannes Schmid zur Priorität seiner Amtszeit erklärt hat. „Das Lebewesen Baum ist mir wahnsinnig wichtig“, sagt er. 2022 gab Schmid das Ziel aus, innerhalb von vier Jahren 1.000 Bäume im Stadtgebiet pflanzen zu lassen. Rund 700 schlagen schon ihre Wurzeln; viele davon in einer neu angelegten Allee am Rosalienweg.

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Die Fußgängerzone Frauenkirchen

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Der "Garten der Erinnerung"

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Der jüdische Friedhof Frauenkirchen

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Hans Niessl war von 1987 bis 2000 Frauenkirchner Bürgermeister

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Die Basilika "Maria auf der Heide"

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Die St. Martins Therme wurde 2009 eröffnet.

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Eine andere Baustelle von Hannes Schmids erster Amtszeit liegt im Stadtzentrum: In der Fußgängerzone gibt es zwar viele Bäume, aber leider auch mehr geschlossene als geöffnete Geschäftslokale.

1994 eröffnete der damalige Bürgermeister Hans Niessl die FUZO als Vorzeigeprojekt – ein Teil der Hauptstraße wurde komplett umgebaut und für den Verkehr gesperrt. Wie die Zukunft der Flaniermeile aussehen wird, sollen am besten die Frauenkirchner selbst entscheiden, wünscht sich der Bürgermeister: „Dieses Jahr wird ein Bürgerbeteiligungsprozess gestartet und Ideen werden gesammelt. Man muss aber eingestehen, dass das kein Projekt von heute auf morgen ist und vielleicht erst in drei, vier Jahren umsetzbar ist.“

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Bürgermeister Hannes Schmid (SPÖ)

Apropos Hans Niessl: In dessen zweiter Amtszeit als Landeshauptmann des Burgenlands wurde 2006 im Bereich der „Pimezlacke“ nach Thermalwasser gebohrt – und man wurde fündig.

Die Eröffnung der St. Martins Therme & Lodge im November 2009 sollte Frauenkirchen nachhaltig prägen. Laut einer WIFO-Studie von 2023 bringt die Therme eine jährliche Wertschöpfung von 50 Millionen Euro und sichert rund 1.000 Arbeitsplätze.

Therme als „Gamechanger“

„Die Wertschöpfung ist ein Wahnsinn“, findet auch Frauenkirchens Bürgermeister – die Therme hat dem gesamten Seewinkel einen gewaltigen touristischen Turbo verschafft.

Aber auch die Bäuerinnen und Bauern kurbeln die städtische Wirtschaft weiterhin an – 80 Prozent der Fläche Frauenkirchens werden landwirtschaftlich genutzt, unter anderem von Promis wie „Paradeiser-Kaiser“ Erich Stekovics, Winzer Josef Umathum oder „Duftbauer“ Stefan Zwickl. Sie brachten es aufgrund ihrer innovativen Zugänge an die Landwirtschaft zu nationaler Berühmtheit.

Wahrscheinlich fällt der Blick über den Tellerrand in der Seewinkelstadt mit dem weiten Horizont leichter als anderswo.

Wo Frauenkirchens jüdische Gemeinde ihre Spuren hinterlassen hat

Im Jahr 1678 erlaubte Paul Esterházy die Ansiedelung vertriebener Juden in Frauenkirchen.  Der Fürst wollte den Wallfahrtsort zu einem wirtschaftlichen Zentrum der Region machen – da kamen ihm die jüdischen Händler und Handwerker gerade recht. Das Wohnrecht erhielten sie aber nur gegen die Zahlung von Schutzgeld.
Die Bevölkerung im jüdischen Viertel von Frauenkirchen erreichte 1876 mit 864 Personen ihren Höhepunkt.  1843  wurde ein zweistöckiges Tempelgebäude im Biedermeierstil fertiggestellt.

Verfolgung, ZerstörungPaul Rosenfeld, der einzige jüdische Frauenkirchner, der nach dem Zweiten Weltkrieg zurückkehren sollte, schreibt in seinen Memoiren, dass es bis 1938 keinen spürbaren Antisemitismus in der Ortschaft gegeben habe. Zum damaligen Zeitpunkt lebten rund  350 Jüdinnen und Juden in  Frauenkirchen.

 Erst mit dem „Anschluss“ Österreichs an Nazi-Deutschland sei der „Judenhass explodiert“: Sämtliche Fenster jüdischer Gebäude wurden zerstört. Dann nahmen die Verfolgung und das Morden der Nazis ihren Lauf. In einem Esterházyschen Meierhof wurde ein Anhaltelager eingerichtet.  

Die Nationalsozialisten verwüsteten das jüdische Viertel, der Tempel wurde im Feber 1939 geschliffen. An seiner Stelle wurde 2016 die Gedenkstätte „Garten der Erinnerung“ eröffnet.  Erhalten blieb der jüdische Friedhof am Stadtrand mit 1.320 Gräbern, der von der Stadtgemeinde gepflegt wird.  

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