Wenn die Polizei dem Gewaltopfer noch eine Watsche gibt

Stellen Sie sich vor: Nach jahrelanger physischer und psychischer Gewalt in der Partnerschaft sehen Sie keinen Ausweg, überwinden sich und gehen zur Polizei, um sich Hilfe zu holen. Bei der Anzeige gegen Ihren Mann und der darauffolgenden Wegweisung hören Sie vom Polizisten folgenden Satz: „Dafür, dass Sie geschlagen wurden, schauen Sie eh gut aus ...“
Unvorstellbar? Nein, das hat sich tatsächlich so zugetragen, wie der KURIER am Samstag berichtete. Und ohne alle (männlichen) Polizisten über einen Kamm zu scheren: Das geht so einfach nicht. Punkt.
Diese Aussage ist eine zum Himmel schreiende Frechheit, zeigt die patriarchalen Strukturen im Polizeiapparat und ist vor allem eines: eine menschenverachtende Empathielosigkeit.
Opfer brauchen Hilfe
Der Polizist, der diese Worte gesprochen hat, wird diesen Text vermutlich nicht lesen. Aber vielleicht einer seiner Kollegen oder Kolleginnen. Oder andere Polizisten oder Polizistinnen. Ihnen allen sei gesagt: Sie haben eine größere Verantwortung, als Ihnen vielleicht bewusst ist. Versetzen Sie sich doch einmal in die Lage Ihres Gegenübers und sehen Sie nicht in jeder Person, die eine Anzeige einbringt, mehr Arbeit. Sondern jemand, der Ihre Hilfe braucht.
Wie das gelingen kann? Stellen Sie sich doch einfach vor, Ihr Gegenüber ist eine gute Bekannte oder mit Ihnen verwandt. Stellen Sie sich vor, Ihre Tochter sitzt vor Ihnen und will eine Vergewaltigung anzeigen. Würden Ihnen dann derartige Worte über die Lippen kommen, Subtext: „Na dann hat dich dein Mann offensichtlich nicht genug geschlagen, wenn du noch rausgehen kannst, um ihn anzuzeigen ...“
Wie wäre es mit der verpflichtenden Anwesenheit einer weiblichen Beamtin bei der Aufnahme von an Frauen verübten Gewaltverbrechen? Oder einer generellen Pflicht, derartige Vorfälle nur von Polizistinnen aufnehmen zu lassen. Denn Männer sind für Frauen in dieser Situation hauptsächlich eines: feindlich.
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