Vom Ehemann geschlagen und vergewaltigt: "Die Polizei nahm mich nicht ernst"

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Eine Burgenländerin erzählt über ihren Weg aus einer gewaltvollen Beziehung – und übt dabei Kritik an Polizei, Justiz und sich selbst.

Von Gernot Heigl

Triggerwarnung: In diesem Text werden gewaltvolle Szenen beschrieben.

Sie wurde von ihrem Ehemann geschlagen und vergewaltigt, erduldete aus falsch verstandener Scham monatelang die sprichwörtliche Hölle, bis sie schließlich Anzeige erstattete. Im Gespräch mit dem KURIER spricht die zweifache Mutter (43) über Demütigung, Gewalt, Angst und Hass, skizziert den Strafprozess mit Verurteilung, ihre Scheidung und ihr Leben danach. Sie kritisiert aber auch ihr eigenes Verhalten und will anhand ihrer Leidensgeschichte anderen Frauen Mut machen, toxische bzw. gewaltvolle Beziehungen rasch zu beenden.

„Im Nachhinein gesehen“, hadert Michaela B., „kann ich mich selbst nicht verstehen, warum ich das so lange erduldet, mir schöngeredet und mich selbst angelogen habe. Gab es doch über einen längeren Zeitraum immer wieder Gewalt.“ Hämatome am Körper, ein blaues Auge und sogar ein Trommelfellriss waren stille Zeugen der Tätlichkeiten. 

Die Burgenländerin kopfschüttelnd: „Da dann aber tränenreiche Entschuldigungen folgten, Versprechen, sich zu ändern, und liebevolle Versöhnungen, keimte in mir stets die Hoffnung auf, dass es besser wird. Für kurze Zeit war dann auch wieder alles toll. Ein Teufelskreis.“

Bis es eines Tages zum Schlimmsten kam. „Es war in der Garage. An einem Sommertag. Ich hatte ein leichtes Kleid an und wollte zu meiner Freundin fahren, als mich mein damaliger Ehemann packte und …“.

Die Vergewaltigung ist nun sechs Jahre her, Michaela B. fällt es noch immer schwer, darüber zu reden. „Es war so bösartig. Eine schreckliche Erniedrigung. Ich habe mich so wertlos gefühlt. Seither habe ich ihn gehasst wie die Pest.“

Dafür, dass Sie geschlagen wurden, schauen Sie eh gut aus.

von Polizist

zum Opfer nach Wegweisung des Ex-Mannes

Die zweifache Mutter, die mit ihrem Ex-Gatten eine gemeinsame Tochter hat (das Mädchen ist damals noch in die Volksschule gegangen), erstattete aber nicht sofort Anzeige. „Es war falsch verstandenes Schamgefühl. Denn so ein Vorfall ist ja peinlich. Außerdem hatte ich bei der Polizei nicht das Gefühl, dass die mich so richtig ernst nehmen oder mir helfen.“

Um erläuternd beizufügen: „Nach Anzeigen wegen Gewalttätigkeiten erhielt mein Ex-Mann zwar mehrere vierzehntägige Wegweisungen, ich aber von den Beamten komische Sprüche wie ,dafür, dass Sie geschlagen wurden, schauen Sie eh gut aus‘ oder ,nehmen Sie ihn doch zurück, er hat mir gesagt, er will sich eh ändern‘.“

„Klar stand eine Trennung im Raum. Aber einerseits hatte ich Angst, dass mir mein Ex etwas antut – immerhin hat er mehrmals gedroht, mich umzubringen. Andererseits wollte ich die Komfortzone nicht verlassen. Wir haben in einem Haus gelebt. Der Gedanke an Wohnung suchen, Ausziehen, Umsiedeln, neue Umgebung; das alles hat mich eine Zeit lang abgeschreckt“, so Michaela B. „Allerdings habe ich nach der Vergewaltigung durchgesetzt, dass wir in getrennten Zimmern schlafen und es keinen Sex mehr gibt. Körperliche Nähe war für mich ab diesem Zeitpunkt undenkbar. Mein Ex hat es akzeptiert, weil er keine Scheidung wollte.“

„Darüber zu reden war sehr hilfreich. Das rate ich jeder Frau in einer ähnlicher Situation.“ 

von Michaela B.

Nach neuerlichen Gewalteskapaden brach die Burgenländerin schließlich doch ihr Schweigen und sprach mit Freundinnen und Arbeitskollegen über ihre Misere. Bis dahin hatte sie ihr Ehedrama geheimgehalten. „Darüber zu reden war sehr hilfreich. Das rate ich jeder Frau, die sich in einer ähnlichen Situation befinden. Denn die Meinungen von Außenstehenden haben mir dann endlich die Augen geöffnet und mich wachgerüttelt. Die Botschaft an mich war: ,Du musst etwas dagegen tun und lass’ dir das nicht länger gefallen‘.“ Nach der Stärkung ihres Selbstbewusstseins, wandte sie sich schlussendlich an das Gewaltschutzzentrum und schilderte dort ihren Leidensweg.

Was kann ein Opfer tun?

„Diese Anlaufstelle empfehle ich jeder Frau, die von ihrem Partner gepeinigt wird. Denn dort hat man mir zugehört, mich beraten und auch die Anzeige gegen meinen Ex-Mann eingeleitet. Diese Hilfe war großartig. Das hat mir auch die nötige Kraft gegeben, den Strafprozess im Landesgericht Eisenstadt durchzustehen – das war ein emotionaler Super-GAU.“ Der Angeklagte wurde wegen Vergewaltigung rechtskräftig verurteilt, obwohl er die Tat geleugnet hat.

„Dann war ich auch stark genug, um mich 2021 scheiden zu lassen. Von jenem Mann, mit dem ich zehn Jahre zusammen gewesen bin, und der der Meinung war, dass alle anderen Frauen neidisch sein müssen, weil er anfangs so lieb gewesen ist. Tja, so kann man sich täuschen.“

Das neue Leben

Mittlerweile ist Michaela B. in einer neuen Beziehung, genießt eine neue Umgebung und fühlt sich in „ihrem Leben danach“ wohl. „Ja, jetzt bin ich glücklich. Mein großer Sohn hat schon eine eigene Wohnung, ich fühle mich mit meiner Tochter bei meinem Partner sicher und geborgen. Trotzdem holen mich immer wieder Bilder aus der Vergangenheit ein. So schlimme Erlebnisse gehen leider nicht von heute auf morgen spurlos an einem vorbei.“

Die Burgenländerin weiter: „Im Alltag musste ich erst lernen, anderen Menschen vertrauen zu können. Kein einfacher Schritt, aber mit der Zeit wird es leichter, die selbst errichteten seelischen Mauern niederzureißen. Dabei geholfen hat mir, dass ich konsequent alle Brücken in die Vergangenheit abgebrochen und bei Null angefangen habe. Die beste Entscheidung meines Lebens.“

Ihr damaliges Verhalten bereut Michaela B., „weil ich bei Anzeige und Trennung gezögert habe. Deshalb möchte ich allen Frauen in ähnlicher Situation Mut zusprechen, sich Übergriffe nicht gefallen zu lassen und sofort zu handeln.“