Warum Herr Kroh es mag, wenn ihm das Eiswasser bis zum Hals steht
Es ist ein heißer Vormittag. 32 Grad zeigt das Außenthermometer in Neufeld an der Leitha. Die Sonne brennt heiß über der 3.500-Einwohner-Stadt im Nordburgenland. Wer kann, sucht sich ein schattiges Plätzchen. Nicht so Sonja Flandorfer.
„Ich hab gerade auf dem Tennisplatz in der prallen Sonne gespielt.“
Mit Hitze – und auch mit Kälte – kann die 44-Jährige gut umgehen. Und das von berufswegen. Die ausgebildete Diplompädagogin ist nämlich Glückscoach – sowie Atem- und Kältetrainerin (siehe auch Zusatzbericht).
Als einzige aktive Instruktorin Österreichs macht sie Workshops nach der Wim Hof Methode: „Es geht dabei um Atem- und Kältetechnik sowie die richtige Einstellung, also den Mindset. Das bedeutet, man lernt, wie man mit seinem Kopf den Körper unter Kontrolle bringt.“ Kneippen sei quasi eine „Light-Version“ davon.
„Ein erster Anfang ist, kalt zu duschen“, sagt Flandorfer. Dabei verengen sich die Blutgefäße, gehen wieder auseinander und der Kreislauf wird angeregt. Sie selbst habe Kälte früher als etwas Negatives empfunden. Dann habe sie sich diesen Ängsten gestellt – mit Erfolg.
Das Kältetraining stärke nicht nur das Immunsystem. „Du wirst fitter, hast mehr Energie und regenerierst schneller.“ Durch die zusätzliche Produktion von Glückshormonen werde das Leben entspannter. „Und es stärkt das Selbstbewusstsein.“
Dass das Kältetraining auch gegen Schmerzen hilft, dafür hat Sonja Flandorfer an diesem heißen Sommertag quasi als Beweis einen Absolventen ihrer Workshops zu Gast. Josef Kroh hat Multiple Sklerose. Die Schmerzen sind oft unerträglich, sagt der 68-Jährige. Wenn er bei Sonja Flandorfer ins eiskalte Wasser steigt, geht es ihm besser.
Minus vier Grad
Die Kältetrainerin füllt kaltes Wasser in eine Wanne im Garten. Dutzende Eiswürfel kommen hinein. „Minus vier Grad“, stellt Flandorfer zufrieden nach einem Blick auf ihr Thermometer fest.
Gemeinsam mit Flandorfer macht Kroh noch ein paar Atemübungen in der Wiese. Dann ist es soweit: Ohne zu zögern steigt der 68-Jährige in die Wanne. „Ruhig atmen und entspannen“, sagt Flandorfer immer wieder. Es ist geschafft: Josef Kroh reicht das eisige Wasser bis zum Hals. „Heute tauche ich das erste Mal auch mit dem Kopf unter.“ Und weg ist er.
Ein Bad im Eis mit Kältetrainerin Sonja Flandorfer
Hilft gegen Schmerzen
„Wir eiern einfach viel zu viel herum. Man muss es einfach tun“, sagt der 68-Jährige, nachdem er wieder aufgetaucht ist. Er strahlt über das ganze Gesicht. „Jetzt habe ich wegen der Kälte sicher die nächsten paar Tage keine Schmerzen“, spricht Kroh und aus Erfahrung.
Zwei Minuten in der Eiswanne reichen für den positiven Effekt aus, sagt Flandorfer. Prinzipiell könne jeder gesunde Mensch das Kältetraining machen. „Natürlich sollte man nicht nach dem Laufen und ohne Vorbereitung in das eiskalte Wasser springen.“
Barfuß über Polarkreis
Ihre Ausbildung hat Flandorfer bei Wim Hof gemacht, einem Extremsportler aus den Niederlanden. 26 Weltrekorde – sie alle haben damit zu tun, wie man Kälte aushält – hat er aufgestellt. Dazu zählt ein Halbmarathon über den Polarkreis, den er barfuß absolviert hat. Durch die effizientere Nutzung von Sauerstoff werde auch die Ausdauerleistung im Sport erhöht.
Die positiven Auswirkungen auf Körper und Geist seien wissenschaftlich belegt.
Auch der Neufelder Kurt Strametz hat sich von Sonja Flandorfer instruieren lassen. Bei eisigen Außentemperaturen ist er in der Eiswanne gesessen. „Ich hatte den ganzen Winter keine einzige Verkühlung“, sagt der Kommunikations- und Wirtschaftstrainer. Denn seine Stimme will er auch schon wegen seines Jobs keinesfalls verlieren.www.keep-on-cooling.com
Glücklichsein kann man lernen - in vier Schritten
Sonja Flandorfer ist ausgebildete Diplompädagogin und hat die Fächer Mathematik, Physik und Chemie unterrichtet. Die 44-Jährige hat sich 2016 selbstständig gemacht. Im Vorjahr kam ihr Buch „Glücklich für immer?“ heraus. Flandorfer bietet unter dem Motto „Keep on goaling“ Glückscoaching an.
Sie arbeitet nach der von ihr entwickelten Efeu-Methode: „Emotionen, Focus, Entscheidung, Umsetzung“ lauten die Grundsätze. „Mein Ziel ist es, dass die Menschen glücklicher, gesünder und selbstbewusster werden.“
Zugute kommt ihr da auch das Kältetraining. „Vor allem bei Frauen habe ich dadurch öfters eine Stärkung ihres Selbstbewusstseins erlebt. Wenn man sich in das eisige Wasser legen kann, kann man auch andere Dinge schaffen, denken viele.“
Workshops bietet Flandorfer sowohl für das Glückscoaching als auch das Kältetraining an.
Wer gemeinsam mit ihr und anderen den Sprung ins kalte Wasser wagen möchte, der hat dazu übrigens zu Neujahr Gelegenheit: Am 1. Jänner ist wieder das Neujahrsschwimmen im Neufelder See geplant.
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