Von Fuchs bis Alijyev: Die Handschrift führt zum Täter

Christian Jandrisovits in seinem Büro im Bundeskriminalamt
Die Gutachten von Christian Jandrisovits entscheiden vor Gericht über Schuld und Unschuld.

"Der Schwung vom S oder hier vom G. An diesem Wort sind besonders viele Merkmale zu erkennen. Das würde sich für einen Vergleich eignen", sagt er. Christian Jandrisovits nimmt jedes Wort ganz genau unter die Lupe. Der Südburgenländer ist einer von vier gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für Handschriftenuntersuchungen im Bundeskriminalamt. Sein Job: den Beweis liefern, ob ein vor Gericht entscheidendes Schriftstück vom Verdächtigen verfasst wurde oder nicht. Seine Gutachten entscheiden über Schuld oder Unschuld.

Vor 20 Jahren hat sich der ausgebildete Kriminalbeamte auf Handschriften spezialisiert und dafür eine zweijährige Ausbildung in Deutschland absolviert. Der 48-Jährige erklärt, warum jede Schrift so besonders ist: "Die Handschrift speichert sich in jungen Jahren im Gehirn ab. Sie ist einmalig, wie der Fingerabdruck", erklärt er. "Auch wenn sie sich mit den Jahren verändert, bleiben relevante Merkmale bestehen. Die Hand ist nur das ausführende Organ." Diese Einmaligkeit macht sie zu einem Sachbeweis mit hohem Stellenwert, da sie direkt zum Täter führt.

Der Brief von Aliyev

Mehr als 150 Fälle bearbeiten er und seine Kollegen im Jahr. Die Bandbreite der Delikte, bei denen die forensische Handschriftenuntersuchung herangezogen wird, reicht vom Einbruchsdiebstahl über Amtsmissbrauch, gefährliche Drohung oder Erpressung bis hin zu Mord. Akribische Arbeit steckt dahinter. Buchstabe für Buchstabe muss genauestens untersucht werden. Zuerst mit freiem Auge, dann mit dem Mikroskop.

Christian Jandrisovits war auch bei der Aufklärung der größten Kriminalfälle Österreichs der vergangenen Jahre beteiligt. Zuletzt im Fall Rakhat Aliyev. Sein Gutachten war es, das den Ex-Botschafter Kasachstans entlastete.

Der Burgenländer wurde beauftragt, jenen Brief zu untersuchen, in dem Aliyev mutmaßlich die Mordtaten, für die er angeklagt war, beschrieb. "Ich konnte definitiv ausschließen, dass der Brief von ihm geschrieben worden war."

Bei dem Fall war selbst dem erfahrenen Experten etwas mulmig zumute, gibt er zu. "Der Fall Aliyev war schon etwas Besonderes. Man weiß ja nie, wer dahinter steckt. Aber schließlich habe ich mir gedacht, es ist meine Arbeit und gehört dazu." Also habe er dem Ex-Botschafter eine Schriftprobe abgenommen und auf typische Merkmale untersucht.

Ein weiterer Fall, war Puber – jener Graffiti-Sprayer, der in Wien sein Unwesen trieb und unzählige Hauswände mit dem Schriftzug verunstaltete. Nachdem im März 2014 ein Schweizer verhaftet wurde , sollte Jandrisovits nachweisen, ob dieser der gesuchte Sprayer ist. Die Untersuchung gestaltete sich als besonders schwierig, da es beim Sprayen keine Druckrillen wie bei Papier gibt. Dennoch konnten dem Verdächtigen sämtliche Graffiti nachgewiesen werden.

Die Bomben von Fuchs

Etwas länger zurück, aber Jandrisovits noch immer sehr gut im Gedächtnis, ist der Fall Franz Fuchs. Auch hier waren er und seine Kollegen wesentlich an der Aufklärung beteiligt. Vielleicht sein bisher aufwendigster Fall, denn "wir haben 68 Bombenbaupläne untersucht. Außerdem haben wir in Lexika gesucht, in denen einzelne Wörter ausgebessert waren – über 1000 Notizen gab es."

Seit der Neugründung des Bundeskriminalamts wird die forensische Handschriftenuntersuchung im Büro für Kriminaltechnik des Bundeskriminalamts (Fachbereich Dokumenten- und Handschriftenuntersuchung) vorgenommen.

Nur vier Spezialisten sind auf dem Gebiet ausgebildet. Sie führen ihre Ermittlungsarbeit zentral für ganz Österreich durch, wobei sie modernste Technologien nutzen. Mehr als 150 Fälle bearbeiten die Sachverständigen pro Jahr.

Im Bundeskriminalamt wird auch die zentrale Dokumenten- und Handschriftensammlung geführt. Alle relevanten Tat- und Vergleichsschriften von Tätern werden darin nach Delikten geordnet archiviert. Die Sammlung enthält Zehntausende Schriften, die aus ungeklärten Straftaten sowie von bekannten Straftätern stammen.
Neben den Spezialisten im Bundeskriminalamt gibt es einzelne private Sachverständige, die Handschriften untersuchen.

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