Tückische Ruhe vor dem Sturm

Tückische Ruhe vor dem Sturm
Trotz Warnleuchten rund um den Neusiedler See nehmen viele Wassersportler das Gewässer nicht ernst. Oft ein fataler Fehler.

Ich bin schon viel gereist, aber so etwas habe ich noch nie erlebt. Hier geht ja binnen 15 Minuten die Welt unter", sagt ein Urlauber aus Tirol, der es gerade noch geschafft hat, sich aus dem See ans Ufer zu retten.

Szenen wie diese sind am Neusiedler See keine Seltenheit. Der oft wegen seiner geringen Wassertiefe belächelte Steppensee im österreichisch-ungarischen Grenzgebiet ist bei Sturm enorm gefährlich.

Rund um den See sind daher Warnleuchten postiert, die ab einer Windgeschwindigkeit von 40 Stundenkilometer aktiviert werden (siehe Zusatzgeschichte). Dennoch müssen Polizei, Feuerwehr und Wasserrettung immer wieder ausrücken, um in Seenot geratene Menschen zu bergen.

"1961 wurde in Podersdorf die erste Sturmwarnanlage der Gendarmerie eingerichtet. Damals mussten die Kollegen noch rausfahren, einen Kompressor anwerfen und dann den akustischen Alarm auslösen", erinnert sich Anton Schwarzbauer, Kommandant der Polizeiinspektion Podersdorf, in deren Zuständigkeit auch der Seedienst fällt.

Den ersten wirklich dramatischen Fall weist die Gendarmerie-Chronik aus dem Jahr 1965 auf. "Damals sind vier Studenten in Seenot geraten, zwei konnten gerettet werden. Zwei haben wir erst Tage später tot geborgen", sagt Schwarzbauer.

1997 wurde eine optische Sturmwarnanlage beim Leuchtturm installiert. Ausgelöst wird die Sturmwarnung rund um den See heute in der Landessicherheitszentrale , und die Polizei fährt aus, wenn ein Notruf eingeht.

Kitesurfer

Tückische Ruhe vor dem Sturm

In Podersdorf sind dabei immer die Surfer und Kiter ein großes Thema – gilt der Badeort doch als Mekka der Wellenreiter. "Das Kitesurfen ist ein Breitensport geworden. Die sind praktisch immer am See, wenn es möglich ist. Vergangenes Jahr waren sie sogar am Heiligen Abend draußen. Für die wird es ab 5, 6 Beaufort erst interessant", weiß der Postenkommandant aus Erfahrung.

Dabei muss laut Seen- und Flussverkehrsordnung das Fahrverhalten – auch von Surfern und Kitern – so angepasst werden, dass man noch vor Eintritt der Gefahr das Ufer erreicht. Die Wassersportler bewegen sich oft  im rechtlichen Graubereich.

"99 Prozent  der in Seenot geratenen Personen  haben diese selbst verschuldet, weil sie den See unterschätzen und die Sturmwarnung nicht ernst genug nehmen", sagt Schwarzbauer.

Oft finden sich die Betroffenen nur 100 Meter vom Ufer entfernt. "Die sind  zum Greifen nah, man hört sie schreien und dennoch haben sie keine Chance, alleine ans Ufer zu gelangen. Die Wellen sind oft bis zu zwei Meter hoch, man verliert den Boden unter den Füßen, und der Südwestwind treibt sie immer weiter auf den See hinaus", schildert der Polizist. In Panik würden die Menschen  um sich  schlagen, ihre Kräfte lassen nach. Richtiger wäre, sich möglichst flach hinzulegen und am  Surfbrett oder Kite festzuhalten bis Hilfe naht.

"Wir können nur immer wieder an die Eigenverantwortung appellieren, den See  wirklich zu meiden, wenn die Vorwarnstufe bzw. die Sturmwarnung ausgelöst ist, das Wetter schlägt hier blitzschnell um, die  Folgen sind oft lebensgefährlich", unterstreicht Schwarzbauer die Gefahr.

Sturm: Es zählt Eigenverantwortung Die rechtliche Grundlage für das richtige Verhalten am See bei Sturmwarnung findet man in der Seen- und Fluss-Verkehrsordnung. Diese besagt, dass Fahrzeuge bzw. Schwimmkörper (darunter fallen Surfbretter und Kites)  unter der Führung einer hiefür befähigten sowie geistig und körperlich geeigneten Person (Schiffsführer) stehen müssen. Diese haben sich über das Vorhandensein von Sturmwarneinrichtungen und die Art ihrer Signalgebung zu informieren.  Falls ein aufkommender Sturm angezeigt wird, müssen Schiffsführer ihr Fahrverhalten so einrichten, dass sie noch vor Eintritt der Gefahr einen Hafen oder ein zum Landen geeignetes Ufer sicher erreichen.

Tückische Ruhe vor dem Sturm

LSZ: Das Wetter wird genau beobachtet Die Sturmwarnung ist in der Landessicherheitszentrale Burgenland angesiedelt. Dort verfolgt das Team um Geschäftsführer Ernst Böcskör auf großen Monitoren die Wetterentwicklung. "Ab einer Windstärke von  sechs Beaufort bzw. 40 Stundenkilometern schalten wir die Vorwarnstufe ein. Dann blinkt die Warnleuchte. 40 Mal pro Minute", erklärt Böcskör. Ab acht Beaufort wird Sturmwarnung ausgerufen. Die Warnleuchte blinkt dann 90 Mal in der Minute, für Wassersportler bedeutet dies, dass sie den See unverzüglich verlassen müssen.

"Der Neusiedler See wird unterschätzt. Wenn wir die Sturmwarnung rausgeben und dann wider Erwarten das Wetter plötzlich dreht, bekommen wir manchmal auch Beschwerden, dass es ja gar keinen Sturm gegeben hat", erzählt der LSZ-Chef, der gleichzeitig betont, dass man die Sturmwarnung ja nicht aus dem Bauch heraus auslöse, sondern diese auf den Wetterdaten der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik  bzw. von Ubimet basiere.

"Natürlich ist das Verhalten einer Gewitterzelle über dem See nicht immer zu 100 Prozent prognostizierbar. Aber man muss die Leute rechtzeitig warnen, damit sie noch genug Vorlaufzeit haben, den See zu verlassen", sagt Böcskör.

www.lsz-b.at

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