Tierärztemangel: "Versorgung könnte zusammenbrechen“

Seit 2020 existiert der vom Land Burgenland ins Leben gerufene Tiernotdienst 141. An Wochenenden und Feiertagen wird nach Anruf zum Tierarzt in Bereitschaft vermittelt. Bis zum Jahreswechsel war das Burgenland noch in fünf Regionen aufgeteilt, jetzt gibt es für Nutztiere noch vier, für Heimtiere sogar nur drei Gebiete.
„Wir haben das aus Ressourcengründen zusammengefasst“, erklärt Andrea Müller-Prikoszovits, zuständige Sachbearbeiterin des Tiernotdienstes – auch aufgrund des fehlenden Personals.
Einen österreichweiten Tierärztemangel gebe es vor allem bei den Nutztieren wie Rind, Schaf, Ziege und Schwein.
Das weiß auch Klaus Fischl, selbst Tierarzt in Königsdorf (Bezirk Jennersdorf): „Die Bereitschaft, sich am Land niederzulassen, ist ähnlich schlecht wie bei den Humanmedizinern.“

Die Bürokratie sei in den vergangenen Jahren „abschreckend“ gewesen. Von Registrierkassa, elektronischer Hausapotheke bis hin zur Antibiotika-Mengenstromanalyse – neben der tierärztlichen Versorgung seien zahlreiche organisatorische Tätigkeiten hinzugekommen.
Klaus Fischl erwartet sich eine Reaktion der Politik: „Als ich noch studiert habe, fingen 350 Menschen an. Jetzt sind es 223. Früher gab es fast in jeder Ortschaft einen Tierarzt.“ Dass viele Absolventinnen und Absolventen schlussendlich nicht im Beruf Fuß fassen, verstärke das Problem zusätzlich.
"Eklatanter Mangel bei Großtieren"
Ähnlich sieht das Thomas Neudecker, Präsident der burgenländischen Tierärztekammer: „Es gibt einen akuten Mangel an Tierärzten, bei den Großtieren ist dieser sogar eklatant.“ Es sei zunehmend schwieriger, die Notdienste am Wochenende zu besetzen.

Außerdem würden in den nächsten Jahren viele Kolleginnen und Kollegen in Pension gehen, vor allem im Südburgenland. Aktuell helfe ein Kollege aus Ungarn im Notdienst mit. Auswirkungen habe das vor allem auf die Landwirte, die im Notfall Kollegen aus der Steiermark anrufen müssen, die natürlich die Kosten für die Anfahrt verrechnen.
223 Studienplätze
So viele erstsemestrige Studierende gibt es an der einzigen Veterinärmedizin-Universität des Landes in Wien.
Wenige bleiben
Nicht alle schließen das sechsjährige Studium ab, viele wechseln anschließend in Forschung oder Pharmazie. Der Großteil zieht eine Kleintierpraxis vor. Knapp über 30 Prozent der angebotenen Studienplätze in Wien gehen an EU-Bürger. Zwischen 80 und 90 Prozent der Studierenden sind übrigens Frauen.
Eine mögliche Lösung? „Mehr Studienplätze und Stipendien mit der Verpflichtung, hier zu arbeiten“, fordern Neudecker und Fischl. Gespräche mit dem Land gebe es bereits. Im Bereich der Humanmediziner vergibt das Burgenland bereits 55 Stipendien pro Jahr, inklusive Arbeitsverpflichtung im Burgenland. Genau diesen Weg geht auch schon das Nachbarland Ungarn. Tierärzte verpflichten sich für zehn Jahre in Ungarn zu arbeiten, im Gegenzug gibt es ein Stipendium.
Besonders hart trifft der Mangel an Nutztier-Tierärzten die Landwirtschaft. „Im Heimtierbereich ist finanziell mehr drinnen, außerdem gibt es einen Generationswechsel bei den Tierärzten. Der überwiegende Teil der Studierenden ist weiblich und da haben nicht wenige Probleme mit dem körperlich herausfordernden Teil der Nutztiere“, erklärt Franz Vuk, Abteilungsleiter Tierzucht bei der burgenländischen Landwirtschaftskammer.
Beispielsweise brauche es bei einer „schweren Geburt“ einer Kuh viel Kraft. Aktuell helfe man sich mit steirischen Kollegen aus, das bringe jedoch auch höhere Anfahrtskosten für die Landwirte mit sich. Eine Patentlösung gibt es laut Vuk nicht: „Es wird immer enger. Verschiedene Modelle sind in Diskussion, aber wir können nur Anreize schaffen.
Eine Regulierung oder Liberalisierung geht bei diesem freien Beruf einfach nicht.“ Aktuell sei die Lage noch im Griff und durch den Notdienst abgesichert.
Falls sich die Versorgung weiter verschlechtert, befürchtet Klaus Fischl in Österreich ein ähnliches Schicksal wie in Schweden: „Dort ist das System zusammengebrochen.“ In jeder Provinz (ähnlich den Bundesländern, Anm.) wurde von der Landwirtschaftsbehörde eine Tierklinik eröffnet. Rund 80 Standorte mit über 500 Tierärzten umfasst das Modell.
Salzburg rüstet auf
Seit Anfang des Jahres hat auch das Bundesland Salzburg einen Tiernotdienst eingeführt. Rund eine Million Euro werden dafür jährlich aufgewendet, um an Feiertagen und dem Wochenende einen Notruf anzubieten.
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