Städtische Plätze: Es braucht mehr als Entsiegelung

Platz vor der Franziskanerkirche Eisenstadt
Eisenstadt. Am Stadtrand wird versiegelt, in der Stadt sollen öffentliche Plätze entsiegelt werden. Was ein Landschaftsarchitekt davon hält.

War‘s bloß Zufall oder doch Ausdruck des schlechten Gewissens?

Jedenfalls haben der Eisenstädter Bürgermeister Thomas Steiner (ÖVP) und die Klubchefin der Grünen, Samara Sánchez Pöll, in der Vorwoche eine umfassende Entsiegelungsoffensive in der größten Stadt des Landes angekündigt. 

Laut einem Grundsatzbeschluss des Gemeinderates soll in der Landeshauptstadt ab 2026 „die Entsiegelung öffentlicher Flächen aktiv vorangetrieben“ werden. 

Ausdrücklich genannt werden der Kalvarienbergplatz vor der Haydnkirche am Oberberg, Jerusalemplatz und Wertheimergasse am einst jüdischen Unterberg sowie Domplatz und Colmarplatz im Zentrum der Stadt.

Die Ankündigung samt vagem Zeit- und Finanzierungsplan erfolgte wenige Tage, nachdem am Rand der 16.000-Einwohner-Stadt ein vierter Baumarkt eröffnet wurde. Wo bis vor Kurzem noch Äcker waren, gibt‘s jetzt auf einer Fläche von fast 16.200 Quadratmetern alles, was das Heimwerkerherz höherschlagen lässt. 

Exodus an Peripherie

Und seit Anfang September weiß man auch, dass die Raiffeisenlandesbank bis 2030 unweit des neuen Baumarkts ihre neue Landeszentrale errichten wird, der bisherige Firmensitz in Sichtweite des Schlosses Esterhazy wird nach rund 70 Jahren aufgegeben.

Jerusalemplatz, Eisenstadt

Jerusalemplatz im ehemaligen jüdischen Viertel ist ein vergessener Ort

Dass Entsiegelung jetzt auf allen politischen Ebenen zum Thema werde, sei ja schön und gut, sagt der Eisenstädter Landschaftsarchitekt Heinz Gerbl im KURIER-Gespräch. Aber ein paar Pflanzen und Wasserelemente allein „ändern nichts“, so Gerbl, der in den vergangenen Jahren für seine Arbeiten dreimal mit dem Dorferneuerungspreis des Landes ausgezeichnet wurde und heuer mit dem Stadtgarten Oberwart als eines von zwei burgenländischen Projekten eine Nominierung für den österreichischen Bauherrenpreis erhalten hat.

Gerade in der Landeshauptstadt zeige der derzeitige Zustand „aus meiner Sicht viel mehr Defizite als nur die Versiegelungsproblematik“, so Gerbl. Entscheidend für städtische Plätze seien auch Aufenthaltsqualität und Klimatauglichkeit, Licht und Möblierung.

Bereits 2017 haben Gerbl und der Architekt und Designer Martin Mostböck, dessen Vater Friedrich Mostböck in den 1960er-Jahren die ersten Reihenhaussiedlungen in Eisenstadt plante, im Rahmen des Freiraumprojekts Vorschläge für eine Neugestaltung des Franziskanerplatzes unterbreitet. 

„Versiffter Platz“

Mit regionalen Materialien, wie dem Sandstein aus St. Margarethen, der auch fürs Schloss Esterhazy verwendet wurde, oder Akazie und Lärchenholz für Sitzgelegenheiten nach Art eines Bootsstegs, wollten sie aus dem kleinen Areal zwischen Haydngasse und Zugang zum Schlosspark einen Platz schaffen, der „zum Entspannen und Verweilen einlädt“.

Stadtgarten Oberwart, Architekt Heinz Gerbl

In Oberwart hat Heinz Gerbl den Stadtgarten geplant. Andere Städte seien weiter als Eisenstadt, meint der Landschaftsarchitekt.

Umgesetzt wurde das Projekt nie, dafür mussten im Zuge von Bauarbeiten vor einigen Jahren die Pflastersteine auf der Straße vor der Franziskanerkirche Asphalt weichen.

Betrachtet Gerbl heute den Franziskanerplatz sieht er „fünf unterschiedliche Pflanzentröge, eine ramponierte Sitzgelegenheit aus Drahtschotterkörben und einen nicht einladenden Zugang zum Schlosspark“ – eine der bedeutendsten historischen Gartenanlagen in Österreich. Die lieblose Behandlung des Platzes lasse ihn „versifft“ erscheinen. Dabei wäre schon mit relativ geringem Mitteleinsatz eine Verbesserung möglich, ist Gerbl überzeugt.

Wie viel Geld für die angekündigte Entsiegelungsoffensive zur Verfügung steht, ist offen. Im Grundsatzbeschluss heißt es, die Stadt solle mittelfristig „entsprechende Budgetmittel“ vorsehen und sich bei Land, Bund und EU um Förderungen bemühen. 

Gibt‘s in Eisenstadt einen Platz, den Gerbl für gelungen hält? „Der Platz vor dem Schloss, der trägt die Handschrift von Esterhazy“.

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