So wird Mist zum Lifestyle: Erste Misstgreislerei im Burgenland

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Aus "Kacke" wird neues Leben - wortwörtlich. Das Ehepaar Nussbaum bietet seit diesem Sommer Hof-produzierten Dünger zur Selbstabholung an.

Von Johanna Worel

Er war ein begehrter Business-Coach. Sie war Eigentümerin einer erfolgreichen Personalberatungsagentur. 2020 hängten Elisabeth und Andreas Nussbaumer ihre Blazer, Blusen und Hemden in den Kasten und deckten sich mit Gummistiefeln, Latzhosen und Gartenhandschuhen ein.

 Heute leben sie mit 150 Tieren auf ihrem eigenen Bauernhof im Bezirk Oberpullendorf.

Auf dem Hof Sonnenweide weht seit diesem Sommer frischer Wind – obwohl „frisch“ nicht unbedingt richtig ist. Dort riecht es ganz typisch nach Bauernhof: feuchte Erde und frisches Heu, kombiniert mit dem intensiven Geruch von Dung. Unter dem Motto „Bei uns ist die Kacke noch am Dampfen“ bietet der Hof seit Neuestem feinsten und handverlesenen Naturdünger an.

„Ehrlich produziert von den glücklichen Tieren des Hofs, die einst gerettet wurden und nun nicht nur Herzen, sondern auch Gärten, Beete und Töpfchen bereichern“, so das Ehepaar. 

Fast wie ein edler Wein

Wie bei Weinen, die von Muskateller bis Cuvée verschiedenste Geschmacksrichtungen abdecken, gibt es auch die „Kacke“ in verschiedenen Nuancen: „Sonnenweide Gold“ für die Kenner, „Hochland Reserve“ für anspruchsvolle Beete und „Bovino Nero“ für nährstoffhungrige Kulturen.

Seit 2011 besitzt das Ehepaar den Sonnenweide Hof

Wie feine Weine werden die Dünger-Arten im Sommelier-Stil auf der Webseite des Hofes ausführlich beschrieben – Geruch, Farbe, ideale Verwendung. Aber im Gegensatz zu hochwertigen und exklusiven Weinen kostet der Mist kein Vermögen: Er ist gegen freie Spende rund um die Uhr in Selbstbedienung erhältlich.

Wie alles begann ...

2011 zog das Ehepaar mit zwei Katzen, zwei Hunden und zwei Pferden auf den Hof Sonnenweide. 2019 gründeten sie dort den „Verein zur Steigerung der Wertschätzung von Natur und Tierwelt“ und eröffneten einen „Lebenshof“ für gerettete Tiere.

Das Ehepaar selbst verzichtet auf das Wort Gnadenhof: „Wir verwenden bewusst nicht diese Formulierung. Wir sind der Meinung, dass die Tiere unsere Gnade nicht brauchen, sondern einfach nur Respekt und Wertschätzung. Und das finden wir im Begriff Lebenshof viel schöner ausgedrückt.“ 

Nachhaltigkeitstrend

Seit 2020 bieten sie „Hof Sonnenweide Paradiesgemüse“ an: Bio-Gemüse wird in Handarbeit saisonal angebaut und regional verkauft.   Andreas erzählt, dass die Pandemie und die daraus resultierenden Lockdowns ihn dazu gebracht haben, sein Coaching-Business aufzugeben und sich für Tiere, Natur und Nachhaltigkeit einzusetzen.

Elisabeth sprang früher als ihr Mann auf den Nachhaltigkeitstrend auf. Sie gründete 2018 die mehrfach preisgekrönte Plattform „Nachhaltig im Burgenland“. Vergangenen Sommer erfüllte sie sich einen Traum, als sie zusammen mit Riesenesel Igor durch das Mostviertel wanderte.

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