"Ich hab’ mich nie geniert Roma zu sein"

Sarközi bekam in Lackenbach das Komturkreuz verliehen. Nationalratspräsidentin Bures, LH Niessl und LH-Vize Steindl gratulierten.
Rudolf Sarközi feierte seinen 70. Geburtstag, außerdem bekam er vom Land eine hohe Auszeichnung.

Vor 23 Jahren gründete Rudolf Sarközi den "Kulturverein Österreichischer Roma". Ein Meilenstein in der österreichischen Minderheitenpolitik. Diese Woche feierte er seinen 70. Geburtstag. Gestern, Samstag, wurde ihm im Rahmen einer Gedenkfeier in Lackenbach das Komturkreuz des Landes Burgenlandes verliehen (siehe Zusatzbericht). Die höchste Auszeichnung des Landes.

KURIER: Haben Sie sich je geschämt Roma zu sein?

Rudolf Sarközi: Nein. Wir sind in der Siedlung in Lackenbach aufgewachsen und dort hat jeder gewusst wer wir sind. Aber dafür geniert, das hab ich mich bis heute nicht. Auch wenn wir teilweise darunter gelitten haben Zigeuner zu sein, wie es damals geheißen hat. Aber als das, was man geboren ist, ist man geboren.

Was war für Sie das einschneidendste Erlebnis?

Das war die Anerkennung der Roma als Volksgruppe, das wir sie politisch erreicht haben. Auf privater Ebene habe ich das Glück eine Familie zu haben, die gesund ist und die Not hinter sich lassen kann und im Mittelbereich der Wirtschaft zu sein.

Wie würden Sie die heutige Situation der Roma einschätzen? Werden sie wieder oder noch immer diskriminiert?

Man kann das nicht über einen Kamm scheren. Es gibt wie in jeder Gesellschaft eine Elite, eine Mittelschicht und Arbeiter. Bei uns Roma ist es so, dass die Alten, die einmal im KZ waren, kaum mehr leben. Aber der Staat hat hier im Rahmen der Opferfürsorge einiges getan. Wer einen Job und etwas gelernt hat, der hat auch finanziell und gesellschaftlich den Anschluss gefunden. Wer in der Bildung hinten geblieben ist, dem geht’s nicht gut.

Geben Sie Bettlern, ob Roma oder nicht, Geld?

Na sicher. Das ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Denn hinter jedem Menschen steckt ein Schicksal. Ein Alkoholiker etwa wird nicht als Alkoholiker geboren.

Herr Professor Sarközi, wenn zu Ihnen jemand sagt, der ehemalige Bundeskanzler Vranitzky war ein Nadelstreifsozialist, was antworten Sie ihm?

Dass Vranitzky einer der besten Politiker ist, den wir in der letzten Zeit gehabt haben. Er scheint nach außen hin anders zu sein , aber sein Kern und seine Seele sind anders. Ich kenne ihn aus nächster Nähe. Das ist ein falsches Bild das man über Vranitzky zeichnet. Er hat uns Roma auch sehr unterstützt.

Nimmt sich der österreichische Staat genug Zeit für die Roma?

Das ist so eine Sache. Meldest du dich, hast du Sorgen, dann wird einem geholfen. Wenn du dich nicht meldest heißt es, dass es einem gut geht. Durch die Anerkennung der Volksgruppe kümmert sich der Staat schon um uns. Es kommt aber immer auf die Leute an: Wenn einer immer auf höchstem Niveau jammert und vergisst seine Eigenleistung zu bringen, der wird nicht zufrieden sein.

Sie bekamen gestern im Rahmen einer Gedenkveranstaltung in Lackenbach das Komturkreuz des Landes. Ist das nicht ein wenig spät nach jahrzehntelangem Engagement für die Roma?

Nein. Ich hab’ ja schon unter Landeshauptmann Karl Stix eine Auszeichnung bekommen. Es soll doch mit diesen Auszeichnungen keine Inflation entstehen. Doch eine hohe Auszeichnung war es für mich, dass mich der Bundespräsident Fischer zu einem Essen eingeladen hat.

Wie lange wollen Sie noch aktiv sein?

Noch vier, fünf Jahre im Roma Verein. Es hängt von der Gesundheit ab.

Zur Person: Rudolf Sarközi

Initiator Rudolf Sarközi wurde am 11.November 1944 geboren. Er besuchte die Volksschule Unterschützen. Als „Zigeuner“ erhielt er keine Lehrstelle und arbeitete als Hilfsarbeiter im Hoch- und Tiefbau. Nach der Eheschließung übersiedelte er 1964 mit Ehefrau Helga und Sohn Andreas nach Wien, wo er nach dem Wehrdienst bei einem Elektrounternehmen beschäftigt war. 1981 wurde Sarközi von der Gemeinde Wien im städtischen Fuhrpark als Kraftfahrer angestellt, war aber seit Juli 1997 wegen seiner Tätigkeit im Interesse der Roma und Sinti karenziert. 2005 trat er in den Ruhestand. Auf Sarközis Initiative wurde 1991 der Kulturverein Österreichischer Roma gegründet, dessen Obmann er seit damals ist. Für sein Engagement erhielt er zahlreiche Auszeichnungen.

Fast auf den Tag genau vor 70 Jahren kam Rudolf Sarközi im Nazi-Anhaltelager in Lackenbach (Bezirk Oberpullendorf) zur Welt. Von den insgesamt etwa 4000 inhaftierten Roma und Sinti in Lackenbach überlebten nur wenige Hundert den Holocaust – einer von ihnen ist Sarközi.

Bei dem Mahnmal in Lackenbach wurde am Samstag der von den Nazis ermordeten Menschen gedacht. Schüler des Gymnasiums Oberpullendorf sowie junge Roma und Sinti gestalteten die Feier mit berührenden Reden mit. Sarközi, Obmann Österreichischer Roma, fand klare Worte: „Ich hoffe, dass die Jungen in der Volksgruppe einmal sagen können, dass wir nicht benachteiligt sind.“ Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) und Landesvize Franz Steindl (ÖVP) überreichten Professor Sarközi im Rahmen der Gedenkfeier auch eine der höchsten Auszeichnungen des Burgenlandes: Das Komturkreuz. „Dass Roma und Sinti heute die rechtliche Gleichstellung wie die anderen Volksgruppen haben, wäre ohne den Einsatz von Rudolf Sarközi nicht möglich gewesen“, erklärte der Landeschef.

„Wir haben die Verantwortung, die Erinnerung an all dieses Leid wachzuhalten. Und wir müssen dafür sorgen, dass es nie wieder dazu kommt“, so Niessl weiter. Steindl zog bei seiner Rede auch Parallelen zur Gegenwart. „Es ist die Aufgabe von allen, die Vielfalt zu einem Gewinn zu machen, Abschottung und kulturelle Absonderung zu vermeiden und Zuwanderer in die Gesellschaft hereinzuholen.“

Auch Nationalratspräsidentin Doris Bures kam zur Gedenkfeier und gratulierte Sarközi zu seiner Auszeichnung. „Du hast für die Rechte der Roma gekämpft. Und du hast Österreich die Augen für den Wert der Roma als einen Teil unserer Gesellschaft geöffnet. Du hast den Wert der Diversität in die Köpfe und in die Herzen vieler Menschen gebracht.“

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