ÖGB-Chefin ortet "Machtspiele"

Sylvia Gartner wurde im Jahr 2002 zur ÖGB-Landesvorsitzenden
Die scheidende Landesvorsitzende des ÖGB Burgenland, Sylvia Gartner, geht mit den Männern hart ins Gericht.

Manchmal gelangt man im Leben an einen Punkt, an dem man sich entscheiden muss. Entscheiden, ob man schweigend Ungerechtigkeiten in einem System duldet oder die Courage aufbringt, öffentlich Missstände  aufzuzeigen. Sylvia Gartner ist an diesem Punkt angekommen. Die Landesvorsitzende des ÖGB Burgenland legt im Juni ihre Funktion zurück. Eine Funktion, die  nur im Burgenland weiblich besetzt ist, denn grundsätzlich ist der Gewerkschaftsbund fest in Männerhand, und das soll offenbar auch im Burgenland wieder so werden.

Während sich Gartner und die ÖGB Frauen wünschen würden, dass wieder eine Frau den Landesvorsitz einnimmt, sollen die Herren in der Gewerkschaft kräftig dagegen arbeiten.

Frau Gartner, warum haben Sie sich entschlossen, mit Ihrer Kritik an die Öffentlichkeit zu gehen? Sylvia Gartner: Ich habe mir meine Entscheidung nicht leicht gemacht. Aber ich will nicht länger schweigen und mir  ein Leben lang vorwerfen, nicht genügend Mut aufgebracht zu haben. Wir haben viel für die Frauen erreicht, und es wäre schade, wenn nun der Rückschritt kommt.

Es gibt eine Frau, die sich gerne der Wahl stellen würde. Wo liegt das Problem? Wir haben eine engagierte Kollegin der GÖD (Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, Anm.) gefunden, die bereit ist, zu kandidieren. Aber die Männer können sich nicht dazu herablassen, eine Frau zu unterstützen. Da kommt plötzlich der Ruf nach dem starken Mann an der ÖGB-Spitze. An die Quotenregelung halten sich die  Männer nur, solange es nicht um die Führungsebene geht. Zum Hackeln brauchen sie uns Frauen, aber den Machatschek wollen sie selber spielen.

Gibt es nun einen männlichen Wunschkandidaten? Es gibt jetzt zwei männliche Kandidaten.  Einer kommt aus der GÖD. Der hat sich in der letzten Besprechung noch schnell selbst bestätigen lassen und verspielt lieber den Vorsitz für die GÖD, bevor er ihn seiner weiblichen Kollegin gönnen würde. Und der zweite kommt aus der PRO–GE  (Produktionsgewerkschaft, Anm.).

ÖGB-Chefin ortet "Machtspiele"

Woher kommt der größte Widerstand gegen eine neue weibliche Vorsitzende? Der meiste Widerstand kommt von den Landessekretären der Gewerkschaften. Da gab es im Vorfeld zur bevorstehenden Wahl Verhandlungsrunden, in die ich mich reinreklamieren musste, damit dort überhaupt eine Frau dabei war.

Hat der ÖGB für Sie seine Glaubwürdigkeit in puncto Geschlechtergerechtigkeit verloren? Ja, denn wir sind in diesem Kampf als ArbeitnehmerInnen-Vertretung nur dann glaubhaft, wenn wir die Geschlechtergerechtigkeit auch selbst leben würden.

Heißt das, der ÖGB lebt seine eigenen Grundsätze nicht? So ist es.  Wir reden nach außen hin immer von der großen Solidarität und davon,  dass man nur gemeinsam stark ist, und intern machen wir genau das Gegenteil. Es geht nur um Machtspiele und nicht darum, was für die Organisation das Beste ist.

Wie sieht die Praxis aus? "Ich habe schon immer vor der Zersplitterung der Gewerkschaft gewarnt. Ich wäre für einen großen Gewerkschaftsbund gewesen. Aber die maßgebenden Männer waren anderer Ansicht. Jetzt sind wir  ein Haufen von sieben Gewerkschaften, die mehr gegeneinander als miteinander arbeiten. Wir leisten uns sieben Vorstände, sieben Presseabteilungen, sieben Mitgliederevidenzlisten, und auf der anderen Seite haben wir kein Geld und lassen die Mitglieder davonlaufen.

Wie ist das zu verstehen? Es gibt  ganz viele Mitglieder, die aus dem ÖGB ausscheiden, ohne ihren Austritt bekanntzugeben. Sie wechseln den Job, fallen damit einer anderen Gewerkschaft zu und sind für uns verloren. Es gibt nämlich keine gemeinsame Mitgliederevidenz.

Wie sehr hat diese Zersplitterung dem ÖGB geschadet? Wir haben sehr viel an Einfluss verloren.  Dabei gibt es so viele  wichtige Themen, die wir gemeinsam spielen müssten: Sozialpolitik, Krankenversicherung, Pensionsversicherung, Bildung. Hier müssten wir gemeinsam auftreten. Und wir schaffen oft nicht einmal unter uns einen gemeinsamen Nenner.

Sie machen sich mit Ihrer Kritik sicher viele Feinde... (lächelt): Ich bringe mich damit gerade um meinen ÖGB-Orden, aber dafür werde ich mir nie vorwerfen müssen, mich nicht mit voller Kraft eingesetzt zu haben.

Werdegang: "Ich bin ihnen damals sozusagen passiert"

Sylvia Gartner wurde 2002 ÖGB-Landesvorsitzende. "Ich bin ihnen damals passiert. Ich war nach einer Operation gehunfähig im Krankenstand", erzählt die 55-Jährige lächelnd. Karl Marhold hatte den Vorsitz niedergelegt und Gartner wurde gefragt, ob sie sich dafür interessiere. "Ich habe geantwortet: Ja ich mache es. Und dann wussten sie nicht mehr, was sie tun sollten", so Gartner. Bei den Landeskonferenzen 2003 und 2008 wurde sie mit jeweils weit über 90 Prozent der Stimmen bestätigt. "Auch von Männern, das muss ich fairerweise sagen." In ihrer neuen Funktion war sie mit der schwarz-blauen Regierung konfrontiert. "Damals hatte ich auch die Unterstützung aller. Man kann nur stark auftreten, wenn alle an einem Strang ziehen", ist die Gewerkschafterin überzeugt. Mit 2. Juni 2012 wird Sylvia Gartner ihr Amt niederlegen.

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