Obsorgestreit: Wanze im Teddy zeichnete Kinderleid auf
Es sind verstörende Aufnahmen, die im Zuge eines Obsorgestreits ans Tageslicht gelangen: „Mama, Mama, bitte nicht“, fleht ein siebenjähriger Bub, bevor er mit dem Kopf unter Wasser gedrückt wird.
Im Mittelpunkt der Causa steht eine Mutter, die ihren Sohn laufend „kleines Arschloch“ nennt.
Bekannt wurde das nur, weil die Stiefmutter ein Tonbandgerät in einem Stofftier versteckte und so den Fall eines Behörden- und Justizversagens im Burgenland ins Rollen brachte.
Denn weil die Gespräche im Geheimen aufgezeichnet wurden, negierte das zuständige Pflegschaftsgericht und die Kinder- und Jugendwohlfahrt bisher den brisanten Inhalt.
Dabei zeichnen die Aufnahmen, die dem KURIER in verschriftlichter Form vorliegen, ein erschreckendes Bild. Es ist ein mehr als 30-seitiges Konvolut voll wüster Beschimpfungen und Erniedrigungen.
„Die Aufnahmen beweisen, dass das Kindswohl gefährdet ist. Die Mitschnitte waren nötig, um den Buben zu schützen. Weder das Gericht noch das Jugendamt waren in der Lage, Schritte zu unternehmen, damit der Bub der Obhut der Mutter entzogen wird“, erklärt Martina Hackl.
Veränderung des Buben
Die Anwältin vertritt in dem Fall den Vater und die Stiefmutter des Kindes, die seit fast drei Jahren um das alleinige Sorgerecht kämpfen.
Die Eltern des Buben hatten sich vor Jahren getrennt. Es bestand gemeinsame Obsorge. Als 2020 der Bub immer verhaltensauffälliger wurde, läuteten die Alarmglocken.
„Er war bei uns zu Besuch und erzählte was er tun muss, wenn seine Mama mit dem Auto auf die Bahngleise fährt und dort vor einem Zug stehen bleibt“, schildert die Stiefmutter. Gleichzeitig äußerte der Kindergarten Sorge wegen der Veränderung des Buben. Auf Anraten einer Kinderpsychologin stellte der Vater den Antrag auf alleiniges Sorgerecht – vergeblich.
„Deshalb bin ich auf die Idee mit dem Tonband gekommen“, sagt die Stiefmutter, die ihren Mann nicht in den Plan einweihte. Wochenlang wurden die Eskapaden der Kindsmutter aufgezeichnet. „Bist du dumm in deinem verschissenen, scheiß A.....-Schädl?“, schreit die Frau ihren Sohn an, nachdem er ein Kapperl aufgesetzt hatte.
Das Gesetz in Österreich verbietet das heimliche Abhören genauso wie die Veröffentlichung solcher illegal angefertigten Ton- oder Videomitschnitte.
Spätestens seit dem bekannten Ibiza-Video mit Heinz-Christian Strache oder dem Fall von Ex-Innenminister Ernst Strasser, der in die Videofalle getappt ist und der Bestechlichkeit überführt wurde, weiß man hierzulande, dass es auch Graubereiche bei der rechtlichen Auslegung gibt.
Für das heimliche Abhören droht eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr. Allerdings können diese Handlungen durch die Wahrung eines „überwiegenden berechtigten Interesses“ gerechtfertigt sein, erklärt Anwalt Michael Borsky. Zulässig ist das Abspielen einer Aufnahme gegenüber Dritten wie dem Gericht zum Beispiel dann, wenn ein Rechtfertigungsgrund dafür vorliegt. Das kann beispielsweise eine Notwehrsituation sein. Ob „überwiegendes Interesse“ an einem solchen Mitschnitt besteht, muss im Zuge eines Verfahrens geklärt werden. Überwiegt das Interesse einer Beweisführung gegenüber dem Persönlichkeitsrecht, ist eine geheime Aufnahme auch vor Gericht zulässig.
Jedes Mal wenn das Kind die Kappe trug oder ein bereits gebrauchtes Handtuch verwendete, zwang die Mutter den Buben erneut in die Wanne – auch drei Mal am Tag. Zuletzt erkannte die psychologische Gutachterin, dass die vermutete Zwangsstörung „gefährdend für die Entwicklung des Kindes“ sei.
Landesgericht kippte Entscheidung
Nach einem monatelangen Rechtsstreit kippte im November das Landesgericht Eisenstadt schließlich die Entscheidung des Richters eines Bezirksgerichtes und entschied, dass die Aufnahmen im Verfahren gewürdigt werden müssen. Die Mutter setzte sich jedoch darüber hinweg und gab den Buben nicht mehr heraus – trotz Polizeieinsatzes. Der Vater hat sein Kind seit November nicht mehr gesehen.
Angesichts der Entwicklung hat nun auch die Kinder- und Jugendhilfe eingelenkt. Wie man am Mittwoch erklärt, wurden nun die „Aufnahmen in die sozialarbeiterische Expertise aufgenommen“. Dass die Behörde ihres Erachtens „derzeit keine Kindeswohlgefährdung sieht“, hält Hackl für einen Skandal. Dafür müssen sich die Stiefmutter und der Vater wegen der illegalen Aufnahmen in einem Prozess verantworten. Gegen die Kindsmutter wird wegen Misshandlung ermittelt.
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