Mercosur, Pest und Preisdruck: Ist die "gute Pute" in Gefahr?

Bei so manchem Familienessen zu Weihnachten wird wohl auch eine Pute serviert. Durchschnittlich 4,4 Kilogramm pro Kopf werden in Österreich jedes Jahr gegessen. Grund genug für die heimische Geflügelwirtschaft, auf die anstehenden Herausforderungen hinzuweisen. Denn die regionalen Produzenten stehen gleich mehrfach unter Druck: Angst vor Billigimporten infolge des EU-Mercosur-Handelsabkommens, Geflügelpest und Preisdruck könnten dazu führen, dass viele regionale Betriebe aufhören.
Das fürchten zumindest Nikolaus Berlakovich, 1. Vizepräsident im EU-Bauernverband und Chef der burgenländischen Landwirtschaftskammer, und Vertreter der regionalen Geflügelwirtschaft.
„Wir teilen ein gemeinsames Ziel: Verbraucher sollen stärker auf Herkunft und Tierhaltung achten.“
EU-Bauernverband
Von Österreich nach Polen
„Einzelne Handelsketten bieten aufgrund der Preissensibilität ihrer Kunden verstärkt Billigware aus dem Ausland an, österreichische Tierwohlprodukte werden viel weniger gekauft. Unsere Premiumware musste teilweise sogar nach Polen exportiert werden“, klagt etwa Heinz Schlögl, Obmann der burgenländischen Geflügelwirtschaft, und appelliert an die Konsumenten, heimische Produkte zu kaufen.
Davon gibt es im östlichsten Bundesland tatsächlich genug. Der Selbstversorgungsgrad durch die 18 Mastbetriebe liegt im Burgenland bei 221 Prozent, österreichweit hingegen nur bei 49 Prozent. Die schwierigen Rahmenbedingungen der vergangenen Jahre haben aber zu einem Produktionsrückgang geführt – um 15 Prozent allein im vergangenen Jahr.
Dazu kommt noch, dass seit November das ganze Burgenland als Hochrisikogebiet für die Geflügelpest eingestuft wurde. Um dieser Bedrohung zu begegnen, wurden die Biosicherheitsmaßnahmen erhöht. „Jeder Betrieb ist gefordert, sich den Herausforderungen neu zu stellen“, so Schlögl dazu.
Durch den bevorstehenden Deal der EU mit den Ländern Lateinamerikas, dem sogenannten Mercosur-Abkommen, befürchten viele in der Branche weitere Verschlechterungen. „Damit wird der Import von Waren leichter, die unter deutlich niedrigeren Produktionsstandards erzeugt wurden“, sagt Berlakovich. Um die Bedeutung von Herkunft und Tierwohl zu betonen, haben große Geflügelproduzenten aus Frankreich, Spanien, Polen und Deutschland deshalb die Initiative „Geflügel aus Europa: Eine nachhaltige Wahl“ gestartet. „Unsere Standards liegen über denen anderer Länder, aber wir teilen ein gemeinsames Ziel: Verbraucherinnen und Verbraucher sollen stärker auf Herkunft und Tierhaltung achten“, erklärt Berlakovich.
Putenmast
In Österreich gibt es etwa 185 Mastbetriebe mit einer Stallkapazität von 1,2 Millionen Mastplätzen. Drei Viertel der Betriebe haben weniger als 10.000 Puten, 24 haben über 15.000 Stück.
4,4 Kilogramm
Putenfleisch pro Jahr und Kopf werden in Österreich gegessen.
Burgenland
18 Mastbetriebe für Puten; 221 Prozent Selbstversorgungsgrad, 49 Prozent in Österreich.
Regionale Wertschöpfung
Die Bedeutung der Geflügelwirtschaft im Landwirtschaftssektor ist nicht zu unterschätzen. Das zeigt der hohe Getreidebedarf von 14.000 Tonnen jährlich für die Putenmast allein im Burgenland, verbunden mit einer Wertschöpfung von fast sieben Millionen Euro. Der Produktionswert der burgenländischen Geflügelwirtschaft liegt bei zwölf Millionen Euro, das entspricht etwa 16 Prozent der gesamten tierischen Erzeugung im Burgenland.
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