Klasse nimmt sich fünf Tage "Handy-Auszeit“

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Seit Montag hat die 3c vom Theresianum Eisenstadt Tag und Nacht auf Handys verzichtet. Ab heute wird wieder gesimst.

Donnerstagmorgen im Theresianum in Eisenstadt. Klassenvorstand Susanne Koller betritt mit einem Korb in der Hand ihre Klasse. Unter den 29 Schülern der 3c kommt ob der kleinen Päckchen darin wahre Begeisterung auf. Was nach Bescherung klingt, ist Wiedersehensfreude. Wiedersehensfreude mit ihren Handys.

Denn seit Montag sind 26 sowie Kollers eigenes Gerät Tag und Nacht weggesperrt, für den KURIER werden die säuberlich ver- und liebevoll in Watte gepackten Handys hervorgeholt, „I love you!“ oder „Sammy‘s Schatzi – Ich werde dich vermissen“ ist auf den Päckchen zu lesen. Dahinter steckt keine Strafmaßnahme, die 12- bis 13-Jährigen nehmen sich auf Susanne Kollers Initiative seit Montagfrüh eine fünftägige „Handy-Auszeit“ – in Absprache mit den Eltern und „auf freiwilliger Basis. Ziel ist, dass die Schüler erkennen, wie wichtig es ist, persönlich miteinander zu kommunizieren. Konflikte beispielsweise kann man nicht über SMS lösen“, erklärt die Pädagogin.

Klasse nimmt sich fünf Tage "Handy-Auszeit“
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Als Beratungslehrerin am Theresianum habe sie mit verhaltensauffälligen Kindern zu tun, „da hängt sehr viel mit Handys zusammen“, weiß die 53-Jährige. „Sie lösen regelrechtes Zwangsverhalten aus, damit man nicht aus sozialen Netzwerken geworfen wird“. Wenn da auf „hdl“ (Abkürzung für „hab dich lieb“) nicht unverzüglich reagiert werde, sei „hdss“ („hasse dich so sehr“) möglich. „Die Pubertierenden überlegen einfach nicht, was sie sich mitteilen“, sagt Koller, der ihr Handy „nicht wirklich abgeht“.

Und was sagen ihre Schützlinge zur Handy-Askese? Die einhellige Meinung: Der Montag sei der schwierigste Tag gewesen. Donnerstagfrüh fehlt es Julia, „gar nicht so sehr, wie erwartet“. Betty „ist es nicht mehr aufgefallen, dass mein Handy weg ist“. „Es fehlt eben der ständige Begleiter“, erzählt Nina. Mit dem Argument „weil ich es brauche“, hat sich Meli nicht am Projekt beteiligt.

Ihre Gedanken halten die Schüler in Tagebüchern fest, ein Resümee möchte Koller an die Eltern weitergeben. Und die Pädagogin plant noch mehr: „In der Fastenzeit soll die Auszeit 14 Tage dauern“. Kritische Blicke weichen der Freude auf heute, Freitag: Um 9 Uhr erhalten die Schüler ihre Handys zurück: „Dann machen wir Party und schreiben SMS“, ist man sich einig.Obwohl während des Unterrichts Handys im Spint bleiben müssen, befürwortet Direktor Johannes Pachinger „dieses Projekt massiv, es belebt den Schulalltag“. Gespräche mit anderen Klassenvorständen seien geplant.

Analyse: "Für Jugendliche sind Handys längst Ganztagsbegleiter"

Im Handyverhalten von Jugendlichen hat sich einiges getan. Das reine Telefonieren und Versenden von SMS „ist durch boomende Smartphones bereits nach hinten gedrängt worden. Sie bieten über Apps zwei Nutzungsmöglichkeiten: Kommunikation sowie Unterhaltung durch Fotos und Videos“, erklärt Matthias Rohrer vom Institut für Jugendkulturforschung in Wien. So seien Handys für Jugendliche längst zu Ganztagsbegleitern geworden und hätten auch den Fernseher überholt.

Das erste Handy erhalte der Nachwuchs „im Alter von zehn, elf Jahren, oft auch schon früher“, sagt der wissenschaftliche Mitarbeiter, von 15 bis 18 Jahren sei die Nutzung stark ausgeprägt, ab 20 ändere sich das Verhalten wieder.

„Reizvoll sowie ein Problem“ für die junge Handy-Generation: „Per Handy fällt es leichter zu mobben, weil man seinem Opfer nicht von Angesicht zu Angesicht gegenübersteht, da sinkt die Hemmschwelle schnell“, informiert Rohrer.

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