Kind gequält: Mutter gesteht und geht straffrei aus
Ein Abhörgerät im Teddybären hatte das Martyrium des 7-Jährigen ans Tageslicht gebracht. Trotz Geständnisses wurde der Bub wieder der Mutter zugesprochen
Der Siebenjährige ringt um Luft, als ihm in der Badewanne der Kopf gewaschen wird. „Das ist mir in die Lunge geronnen“, fleht er weinend seine Mutter an, aufzuhören.
Ihre Antwort: „Du scheiß Kind, du blödes, du wirst jetzt was erleben.“
Was der Bub aus dem Burgenland alles erleben musste, ist auf stundenlangen Abhörprotokollen festgehalten – beschimpft, drangsaliert, erniedrigt. Aufgenommen mit einem Tonbandgerät, das die Stiefmutter des Buben in seinem Teddybären versteckt hatte. „Um endlich einen Beweis für das Kinderleid zu haben“, wie sie dem KURIER sagt.
Tonbänder negiert
Weil die Gespräche illegal im Geheimen aufgezeichnet wurden, negierten das zuständige Pflegschaftsgericht und die Kinder- und Jugendwohlfahrt lange den brisanten Inhalt. Nicht so die Staatsanwaltschaft Eisenstadt, die Anklage wegen des Quälens und Vernachlässigens unmündiger oder wehrloser Personen gegen die Mutter erhob. Am Montag musste sich die 36-Jährige im Landesgericht Eisenstadt dafür verantworten.
Obwohl sie inhaltlich voll geständig war, alle Vorwürfe zugab und unter Tränen gestand, dass ihr die Sache furchtbar leid tue und sie sich sehr dafür schämen würde, was sie ihrem Kind alles angetan habe, ging die Frau (nicht rechtskräftig) straffrei aus. Zum Entsetzen des Vaters, der Stiefmutter und anderer anwesender Angehöriger kam die Angeklagte mit einer Diversion davon – unter der Auflage, weiterhin die Elternberatung und die Psychotherapie zu besuchen. Dem Sohn muss sie 1.000 Euro Schadenswiedergutmachung bezahlen.
Die Richterin ging der Frage erst gar nicht auf den Grund, ob die Mutter das Kind auch körperlich oder „nur“ seelisch misshandelte und psychischen Qualen aussetzte.
Die Tonbänder geben Grund zur Sorge, dass der Bub auch wegen des „psychotischen Waschzwangs“ der Mutter unter Wasser gedrückt wurde. Für die Verteidigerin der Frau, Kristina Unger, „geben die Protokolle nur eine Momentaufnahme wieder.“ Es gäbe viel Interpretationsspielraum, zu Handgreiflichkeiten sei es aber nicht gekommen, erklärt die Rechtsanwältin. Was die 36-Jährige getan habe, „ist nicht entschuldbar“, sagt die Juristin. Sie sei einfach mit dem Druck nicht mehr klargekommen.
Gemeint ist damit der bereits drei Jahre lang andauernde Sorgerechtsstreit um den Buben. Im Sommer 2020 hatte der Vater wegen „diverser psychischer Auffälligkeiten“ das alleinige Sorgerecht für den Buben beantragt. Seither wird der Ball zwischen dem Gericht, der Kinder- und Jugendhilfe sowie Gutachtern hin und her gespielt.
Der Kindsvater wird von Martina Hackl vertreten. Als Spezialistin für Familien- und Obsorgerecht sind ihr im Laufe ihrer Karriere schon sehr viele dramatische Sorgerechtsfälle untergekommen, „aber keiner wie dieser“. Obwohl es dokumentiert sei, welchen Qualen das Kind ausgesetzt war, wird der Kindsmutter der Vorzug gegeben. „Auch wenn sie dem Buben schadet“, sagt Hackl. Ein ähnliches Verhalten würde bei Vätern sofort zur Abnahme des Kindes führen – ohne „Wenn und Aber“.
Ins Heim gesteckt
Die zuständige Kinder- und Jugendwohlfahrt Eisenstadt hatte den Siebenjährigen zuletzt zwar der Mutter wegen „Gefahr im Verzug“ abgenommen, das Kind aber nicht dem Vater übergeben, sondern in ein SOS-Kinderdorf gesteckt.
Seit Kurzem ist der Bub wieder bei der Mutter. Kristina Unger zitierte am Montag vor Gericht einen Anlassbericht aus dem Kinderdorf, wonach die zuständige Psychologin der Mutter „volle Erziehungsfähigkeit“ attestiere. Damit einhergehen Auflagen wie eine wöchentliche Familienintensivbetreuung. Die 36-Jährige muss außerdem Elternberatung und Psychotherapie in Anspruch nehmen.
Vater und Stiefmutter müssen sich demnächst auch vor Gericht verantworten, und zwar wegen der illegalen Tonbandaufnahmen mit dem Abhörgerät im Teddybären.
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