Juristische Skurrilitäten: Wer vor Gericht lügen darf

Von Gernot Heigl
Unterschiedlichste Vergehen und Verbrechen werden täglich im Landesgericht Eisenstadt verhandelt. Von Ladendiebstählen über betrügerische Internet-Aktivitäten, Einbrüche, Wirtschaftsdelikte, Körperverletzungen, Sexualstraftaten bis hin zu Wiederbetätigungsprozessen und Tötungsdelikten. Der KURIER berichtet laufend über die spektakulärsten Prozesse. Dabei kommt es oft zu erstaunlichen Begebenheiten im Gerichtssaal – gesetzeskonform, aber mitunter skurril. Ein kleiner Querschnitt der größten Skurrilitäten:
- Die Wahrheit sagen?
Beginnend damit, dass Angeklagte im Verfahren immer die Unwahrheit sagen dürfen, ohne dafür bestraft zu werden. Bei Zeugen sieht das allerdings ganz anders aus, denn für Falschaussagen drohen bis zu drei Jahre Haft. Angemerkt sei in diesem Zusammenhang, dass die Richterinnen und Richter reumütige Geständnisse der Beschuldigten bei der Strafbemessung als besonders mildernd werten.
- Strafbare Bilder?
Der Besitz von Bilddateien auf einem Handy, die dem Verbotsgesetz unterliegen, ist nicht strafbar. Werden diese Wiederbetätigungsfotos jedoch an andere Personen weitergeleitet, zum Beispiel per WhatsApp, drohen ein Geschworenenprozess und ein bis zehn Jahre Gefängnis, oft auch in Verbindung mit einer Geldstrafe. Bei Kinderpornografie und sexuellen Darstellungen Minderjähriger sind jedoch sowohl der Besitz als auch das Weiterleiten strengstens verboten und strafbar.
- Wer vertritt Beschuldigte?
In einem Strafverfahren können sich Beschuldigte bei geringfügigen Vergehen sogar selbst verteidigen. Anwaltspflicht besteht aber beispielsweise bei Geschworenen- und Schöffenprozessen. Ebenso, wenn für eine Straftat eine drei Jahre übersteigende Freiheitsstrafe angedroht ist. Unter bestimmten Voraussetzungen wird Angeklagten eine kostenlose Pflichtverteidigung gewährt, sonst muss der Verteidiger selbst bezahlt werden.
- Schmerzensgeld? Naja ...
Opfer, die physisch oder psychisch verletzt worden sind, können sich als Privatbeteiligte dem Strafverfahren anschließen und ein Schmerzensgeld fordern. Das heißt aber nicht automatisch, dass sie auch eines zugesprochen bekommen. Ausschließungsgrund ist etwa eine „Zurechnungsunfähigkeit“ eines Beschuldigten zum Tatzeitpunkt. In solchen Fällen muss der Zivilrechtsweg eingeschlagen werden.
- Wie lange dauert die Haft?
Wer zu einer unbedingten Haft verurteilt wird, darf im besten Falle – abhängig von Delikt und Strafhöhe – auf eine Fußfessel hoffen. Üblicherweise besteht für Gefängnisinsassen die Möglichkeit einer frühzeitigen Entlassung, nachdem die Hälfte oder zwei Drittel der Strafe verbüßt wurden.
- Was bleibt hängen?
Besonderheiten gibt es auch bei Schuldsprüchen. „Ist die Höhe der Strafe unter drei Monaten, scheint diese zwar in den Systemen bei Polizei und bei Gericht auf, nicht aber in der Strafregisterbescheinigung, früher Leumundszeugnis“, erklärt Anwalt Gerhard Ederer aus Oberwart. Das ist wichtig bei der Suche nach einem neuen Job, viele Arbeitgeber verlangen einen derartigen Auszug. Ähnlich „günstig“ für Angeklagte ist auch eine vom Gericht verhängte Diversion, die ebenfalls nicht offiziell aufscheint, bei geringfügigen Vorfällen ausgesprochen werden kann und oftmals mit Geldbußen oder Sozialarbeit einhergeht.
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