Grenzkontrollen sorgen für Stauchaos
Seit 4. Mai darf Österreich seine Grenzen nach Ungarn und Slowenien kontrollieren, wenn sich wieder ein Flüchtlingsstrom bemerkbar macht. Diese Vereinbarung mit der EU gilt sechs Monate lang und wird seit Wochenbeginn zumindest an der österreichisch-ungarischen Grenze streng gelebt. Und nicht nur das: Weil Österreich aktuell rigoros vorgeht, hat auch Ungarn nachgezogen. Mit dem Effekt, dass Dienstagnachmittag in Nickelsdorf fast nichts mehr ging.
Chaos
Für viele Reisende begann der Start in den Urlaub nicht am Strand des Plattensees, sondern in der sengenden Hitze auf der A 4. Die Autofahrer – darunter viele Familien – mussten länger als drei Stunden in der prallen Sonne ausharren, bevor sie am Nachmittag vom Roten Kreuz betreut wurden. Zudem kam es auch auf der Ausweichroute, der B10, zu beträchtlichen Verzögerungen.
Das Verkehrschaos spielte sich genau an jener Stelle ab, wo vor fast einem Jahr Zehntausende Flüchtlinge unkontrolliert nach Österreich kamen. Wie damals war wieder das Rote Kreuz im Einsatz. Verteilt wurden keine Decken an Flüchtlinge, sondern Wasser an die Urlauber.
„Die Dankbarkeit ist sehr groß“, erzählt Rot-Kreuz-Einsatzleiter Alexander Heller. „Sie wollten wissen, wann es weiter geht, aber das kann ihnen leider niemand sagen.“
Rund um den Grenzübergang im nordburgenländischen Nickelsdorf herrschte am Dienstag der Ausnahmezustand. Die Abfertigung der Reisenden erfolgte laut ARBÖ nur sehr schleppend beziehungsweise zum Teil gar nicht. Am Dienstagnachmittag reichte der Stau bei der Ausreise nach Ungarn bereits von Nickelsdorf bis ins rund 28 Kilometer entfernte Neusiedl am See.
Ins Ministerium zitiert
Die Grenzkontrollen wurden von ungarischer Seite nicht angekündigt. Hinter vorgehaltener Hand sprach man auf österreichischer Seite aber von einer „Retourkutsche“ für die intensiven Überprüfungen der Lkw, die seit Sonntagnacht an der burgenländischen Grenze vorgenommen werden. In der ORF-Sendung „Report“ bezeichnete Innenminister Wolfgang Sobotka die ungarischen Grenzkontrollen als „unrechtmäßig“. Man habe für heute den ungarischen Botschafter ins Ministerium zitiert.
Wie lange der Zustand andauern soll, ist unklar. Im Innenministerium wollte man sich auf keine zeitliche Einschränkung festlegen.Laut burgenländischer Polizei wollen die Ungarn die Kontrollen weiterführen.
„Es gibt kein Weiterkommen für die Autofahrer“, schilderte am Dienstag ÖAMTC-Leiter Rudolf Leeb. Die Lage in Nickelsdorf begann sich bereits am Montag zuzuspitzen, als Österreich unangekündigt die Grenzkontrollen bei der Einreise verstärkt hatte. 160 Beamte waren seither mit Unterstützung des Bundesheeres im Einsatz. Vor allem Lkw wurden bei der Einreise von den österreichischen Beamten genau unter die Lupe genommen. Das hatte am Dienstag stundenlange Wartezeiten für Lkw-Lenker zur Folge.
Auf der ungarischen Autobahn M1 vor der Grenze in Nickelsdorf standen die Autos rund 15 Kilometer im Stau. Auch die Nichteinhaltung des Lkw-Fahrverbots in Ungarn habe zu der Situation beigetragen. Abends hatte sich die Lage wieder entspannt.
Präventivmaßnahmen
Warum zu Ferienbeginn mit den verstärkten Kontrollen begonnen wurde, erklärt Polizeisprecherin Daniela Landauer so: „Damit wollen wir präventiv wirken und eine Tragödie wie die vom August des Vorjahres verhindern (damals wurden 71 tote Flüchtlinge in einem Lkw entdeckt, Anm.).“ Außerdem gab es seit Sommerbeginn mehr illegale Migration und eine Zunahme der Schleppertätigkeit.
Seit dem Start der verstärkten Kontrollen Montagnacht wurden 26 Flüchtlinge aufgegriffen. Bezüglich der Grenzkontrollen gebe es zwischen dem BMI und dem ungarischen Ministerium auch laufend Gespräche. Dass die Zahl der illegalen Migration sowie der Schlepperkriminalität im Vergleichszeitraum zum Vorjahr etwa gleich geblieben sind, das belegt eine aktuelle Statistik. 4073 unrechtmäßig Aufhältige waren heuer bis Juni über die Grenze gekommen, 2015 waren es 4546. Die Zahl der gefassten Schlepper betrug heuer 84, im ersten Halbjahr des Vorjahres waren es 117.
Im Hinblick auf die infolge von Grenzkontrollen in Nickelsdorf (Bezirk Neusiedl am See) entstandenen kilometerlangen Staus auf der Ostautobahn (A4) übten am Dienstag die Transporteure Kritik. Franz Danninger, der Obmann des Fachverbandes Güterbeförderung in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), sprach laut Aussendung von "untragbaren Zuständen" durch stundenlange Wartezeiten für die Lkw-Fahrer.
Man respektiere das Ansinnen, vor dem Hintergrund der Bekämpfung der Schlepperkriminalität verstärkt Grenzkontrollen durchzuführen. "Wofür wir allerdings kein Verständnis haben, sind derartige, schwerwiegende Eingriffe in den Warenverkehr, die für Lenker massive Stehzeiten und für Unternehmer ein völliges Chaos in der Tourenplanung bedeuten", stellte Danninger fest: "Keiner der dafür Verantwortlichen fragt hierbei nach, welche Kosten für die Unternehmer entstehen, geschweige denn, wer diese Kosten kompensiert."
Einmal mehr fordere man Maßnahmen, wie eigene Lkw-Korridore an den Grenzen oder eine Flexibilisierung von Lenk- und Ruhezeiten im Rahmen dieser besonderen Umstände. "Dies würde sowohl für Lenker als auch Unternehmer diese Situationen entschärfen und abfedern", erklärte Danninger.
Kommentare