Eines ist sicher: Der morgige Muttertag wird für Jasmin und ihren Sohn ein ganz besonderer werden. Denn es wird der erste, den die beiden ganz unbeschwert zu zweit verbringen können.
Gerade am Muttertag wird das Mamasein gerne klischeehaft verklärt, während Lebensrealitäten von Menschen, die mit ihrer Elternrolle überfordert sind, oft noch immer tabuisiert werden. So wie die Geschichte von Jungmama Jasmin und ihrem Sohn im Kindergartenalter.
Vor vier Jahren ist die Mutter-Kind-Beziehung an einem Tiefpunkt angekommen, die Notbremse musste gezogen werden. „Alles ist zusammengekommen. Finanzielle Probleme, Beziehungsprobleme. Es war eine Zeit voller Sorgen und Ängste. Ich konnte mich nicht so um das Kind kümmern, wie er es gebraucht hätte“, erinnert sich Jasmin heute. Der jungen Frau, damals Anfang 20, wird das Sorgerecht entzogen. Ihr Sohn kommt zu einer Krisenfamilie. Zwei Jahre lang.
Jasmin darf den Kontakt zu ihrem Kind jedoch aufrecht erhalten. Sie besucht ihn regelmäßig, wird aber auch von Schuldgefühlen geplagt: „Zu sehen, dass ich nicht für ihn da sein kann, das war die schlimmste Zeit für mich“, erzählt die Mittzwanzigerin.
Eine zweite Chance
Zwei Jahre später dann der Lichtblick: Die Kinder- und Jugendhilfe gibt Jasmin eine Perspektive, wie sie wieder selbst für ihren Sohn sorgen kann. Die beiden bekommen einen Platz in einer Wohnung des SOS Kinderdorf Burgenland.
In der Eltern-Kind-Begleitung sollen die beiden unter professioneller Betreuung wieder zusammenwachsen. Das fängt beim „Einmaleins“ des Familienalltags an: „Den Haushalt führen, Wäsche waschen, die Wohnung kindgerecht einrichten, das waren die ersten Schritte. Die ersten Tage im Kinderdorf waren sehr neu für mich“, erzählt Jasmin.
Als nächster Schritt folgt die Suche nach einem Kindergartenplatz für den Kleinen und einem Job für die Mama – denn auch finanzielle Unabhängigkeit ist ein Ziel, das in der Eltern-Kind-Begleitung verfolgt wird.
Das eigentliche Hauptziel sei jedoch, den Frauen Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten als Mutter zu geben, erklärt Bernadette Kalcher, pädagogische Leiterin des SOS Kinderdorf Burgenland. Mehr als 100 Familien werden im Eltern-Kind-Wohnen betreut (siehe Zusatzbericht unten) Jasmins Entwicklung in der Betreuungsform wertet Kalcher als positives Beispiel: „Eine Mama vor mir zu sehen, die Hilfe annehmen konnte und die es geschafft hat, wieder an die eigenen Fähigkeiten zu glauben und das jetzt richtig gut macht, das ist wirklich das Allergrößte“.
Blick nach vorn
Die Betreuer vom SOS Kinderdorf seien für Jasmin und ihren Kleinen wie eine „zweite Familie“ geworden, sagt sie. Jetzt meistern die beiden ihren Alltag aber auch schon gut alleine – sie stehen wieder auf eigenen Beinen, auch wenn nicht immer alles leicht fällt: „Manchmal gibt es Tage, an denen das sehr anstrengend ist. Aber die positiven Tage überwiegen. Und vor allem war mir von Anfang an klar, ich schaff das. Ich kann Mama sein“, erzählt Jasmin.
Was die zwei für den Muttertag geplant haben? Für die Mama gibt es jedenfalls ein Geschenk – im Kindergarten wurde fleißig gebastelt – und danach wollen die beiden gemeinsam einen Kuchen backen. Auch das ist etwas, das Jasmin erst im SOS Kinderdorf gelernt hat: „Vor zwei Jahren wusste ich nicht einmal, wie man das Eigelb vom Eiweiß trennt“, sagt sie schmunzelnd.
Eltern-Kind-Betreuung
Das Betreuungsangebot der Eltern-Kind-Begleitung soll Familien in problematischen Verhältnissen dabei helfen, ein eigenständiges Leben führen zu können. Damit soll auch verhindert werden, dass Eltern von Kindern getrennt werden müssen.
Familien – entweder beide Eltern oder ein Elternteil – ziehen gemeinsam mit ihren Kindern in eine Wohnung im SOS Kinderdorf ein. Dort werden sie bis zu zwei Jahre lang von einem Team von Pädagoginnen und Familienberaterinnen begleitet. Die Familien werden entlastet und erhalten Unterstützung bei ihren Herausforderungen im Alltag.
Die SOS Kinderdörfer leisten auch mobile Familienarbeit. Dabei besuchen Beraterinnen die Familien über einen längeren Zeitraum zwei- bis dreimal pro Woche zu Hause, führen Gespräche mit Eltern und Kindern und begleiten sie bei Aktivitäten. Auch diese Betreuungsform ist für eine Zeitspanne von bis zu zwei Jahren ausgelegt.
Im Jahr 2021 sind 125 Kinder gemeinsam mit ihren Familien im Eltern-Kind-Wohnen betreut worden. Im gleichen Jahr haben 1.088 Familien das Angebot der mobilen Familienarbeit der SOS Kinderdörfer in Anspruch genommen.
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