Eiswein: Süßer Rest
Um 3.30 Uhr erfolgte der Rundruf, um 5 Uhr war dann Treffpunkt in Gols, Riede Untere Hutweide – bei minus 14 Grad. Mit dabei ein schwacher Nordwind, der die Temperaturen auf gefühlte minus 20, 25 Grad sinken lässt. An die 20 vermummte Personen – keine illegalen Grenzgänger und auch keine Demonstranten – versuchen, sich bei heißem Tee zu wärmen. Erstaunlicherweise ist die Stimmung trotz der bissigen Kälte sehr gut. Man scherzt (wer der ungarischen Sprache nicht mächtig ist, hat dabei wenig zu lachen), schnürt sich den gepolsterten Anorak nochmals eng zusammen, zieht die Kapuze über die Haube und schlüpft in dicke Handschuhe. Verspätete Eisweinlese ist angesagt.
Letzter Zug
„Gemmas an“, ruft dann „Scheffe“ Hans Nittnaus. Noch schnell ein letzter Zug an der Zigarette, tief durchatmen und los geht’s. „14,36 sind’s genau“, klärt Nittnaus lautstark auf. Er ist verbunden mit dem Bezirksreferat der burgenländischen Landwirtschaftskammer, das minütlich die Temperaturen per Handy durchgibt.
Das Hasardspiel hat also ein Ende. Selbst Experten waren sich nicht sicher, ob es im heurigen Weinjahr einen Eiswein geben wird. In der Regel ist nämlich die Lese von gefrorenen Trauben – in diesem Fall sind es Grüner Veltliner, Chardonnay und Sauvignon blanc – spätestens im Dezember abgeschlossen. „Seit ich Winzer bin, kann ich mich nicht erinnern, dass wir im Februar gelesen hätten“, sagt Nittnaus. Josef Finster von der Burgenländischen Landwirtschaftskammer könne sich an einen derart späten Termin auch nicht erinnern.
Poker
Doch Hans Nittnaus hat „ganz einfach gepokert“. Er pokerte hoch. Denn statt der geplanten sechs Hektar zu lesen, sind es nun zwei geworden. Und auch der Ertrag wird geringer sein. Das ist auf die niedrigen Temperaturen zurückzuführen: Je gefrorener die Trauben sind, umso weniger Saft wird erreicht, aber dafür höhere Zuckergrade. Nittnaus rechnet daher mit 40 bis 60 Prozent weniger Ertrag.
Im Keller
Macht aber nix, denn die Qualität, die wird „hervorragend“. 42 Klosterneuburger Zuckergrade kann er im Keller um 7.30 Uhr beim Most messen, der aus der Presse kommt. „Pfah! Das war noch nie da“, behauptet ein erstaunter Nittnaus.
Für den Golser Winzer ist ab Mai nächsten Jahres eines klar: Wenn der 2012er in den Verkauf kommt, wird es noch mehr Cha-Cha geben. Ja, Hans Nittnaus vergleicht den Eiswein mit dem Tanz, bei dem es „sehr flockig“ zugeht. Das wird sich aber auch im Preis auswirken. Mit 20 bis 25 Euro – vielleicht auch mehr – wird man für das Fläschchen (0,375 l) rechnen müssen.
Nicht nur Hans Nittnaus ist trotz der langen Wartezeit „mehr als zufrieden“. Auch Gerhard Kracher, Süßweinspezialist aus lllmitz, spricht von einer „Superqualität“. 5,5 Hektar hat er und seine Mitarbeiter in zwei Nächten gelesen. Weniger als sonst, weil er sich doch nicht auf dieses Risiko einlassen wollte und vorher die Trauben abschnitt. Es lief ihm die Zeit davon. Doch jetzt: „Ich kann mich nicht beklagen.“
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