Einzigartiges Brauchtum: Das Hoasammeln in Riedlingsdorf

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Der Brauch „Hoasammeln“ ist einzigartig in Österreich. Warum in Riedlingsdorf Sonntagfrüh um sechs eine Braut vor der Tür stehen kann? Ein ganz besonderer Lokalaugenschein.

Von Vanessa Halla 

Seit wann genau es den Brauch „Hoasammeln“ gibt, weiß auch in der südburgenländischen Gemeinde Riedlingsdorf niemand. Und dass, obwohl es die „Zwiefler“, wie die Bewohner der 1.700-Seelen-Gemeinde genannt werden, erfunden haben. 

Nirgendwo sonst auf der Welt kennt man den Brauch – die Spielregeln sind recht streng.

Die Leute haben sich so gefreut, dass endlich wieder ein Braut Hoasammeln geht, das war unglaublich.

von Kristina Kopper

Braut

Mitmachen darf nur eine Braut, die aus Riedlingsdorf stammt, oder einen Mann aus dem Dorf heiratet. Schwierigste Spielregel in der Version 2025: Das Paar darf noch keine Kinder haben. Es ist mittlerweile also gar nicht so einfach, „part of the game“ zu werden.

Am Sonntag vor der Hochzeit geht die Braut „Haar sammeln“. Sie zieht in Begleitung der Altbraut – meist die Taufpatin oder eine andere Verwandte – von Haus zu Haus durchs ganze Dorf.

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Das „Haar“ war damals geraffter Flachs, aus dem die Braut dann Leinen machen konnte. Später bekam die Braut Geld statt Flachs. Begonnen wird mit dem Gebetläuten um sechs Uhr früh, die Abendglocken um 19 Uhr verkünden dann das Ende der anstrengenden Tour.

Dazu muss man wissen, dass Riedlingsdorf das längste Straßendorf des Burgenlandes ist. „Zähne zusammenbeißen und durch“ (den ganzen Ort gehen) lautet also die Devise für die Braut. „Wenn du später losgegangen bist, hast du als faule Braut gegolten. Und wer nach 19 Uhr noch bei einem Haus geläutet hast, war eine gierige Braut“, weiß Inge Binder, die im Jahr 1973 Hoasammeln gegangen ist.

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Inge Binder (re.) beim „Hoasammeln“ im Jahr 1973. Auf Sneakers wurde verzichtet.

Die heute 70-Jährige ist seit 52 Jahren verheiratet – an den Tag, als sie als junge Braut mit ihrer Taufpatin bei jedem Haus im Ort geläutet hat, erinnert sie sich noch gut: „Wir haben uns gleich zu Beginn beeilt, denn da waren die Füße noch nicht müde vom vielen Gehen. Und wir waren auch vor dem Abendläuten fertig, obwohl manche der Meinung waren, dass wir das nie rechtzeitig schaffen, weil wir solche Tratschtanten sind“, erzählt die Riedlingsdorferin lachend.

Ebenfalls wichtig beim Hoasammeln: Braut und Altbraut müssen aufeinander abgestimmt gekleidet sein. Inge Binder: „Ganz früher trug die Braut als Zeichen ihrer Jungfräulichkeit auch einen Zweig Myrte im Haar.“

33.000 Schritte

Die Braut Kristina Kopper hat sich beim Hoasammeln für einen Blumenkranz als Haarschmuck entschieden. Die 23-Jährige hat gestern ihren Andre geheiratet. Den Brauch des Hoasammelns kannte die junge Feuerwehrfrau davor nicht. „Obwohl ich aus Riedlingsdorf bin“, gibt sie lachend zu.

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„Wer macht einem schon um sechs Uhr früh die Tür auf?“ Riedlingsdorfer. Denn die wissen: Die Braut geht „Hoasammeln“.

Kristina Kopper und ihre Altbraut starteten, wie es der Brauch verlangt, zwei Wochen vor der Hochzeit vom Haus des Bräutigams weg in den Ort. 500 Häuser, Türglocken und 33.000 Schritte später waren sie pünktlich zum Abendläuten fertig.

„Ich wollte keinesfalls als gierige Braut gelten“, lacht Kristina, die jetzt noch überwältigt von der Freundlichkeit der Riedlingsdorfer ist. „Die Leute haben sich so gefreut, dass endlich wieder ein Braut Hoasammeln geht, das war unglaublich. Die Nachbarn sind extra früh aufgestanden und haben mit einem Frühstück auf uns gewartet. Ich meine, wer macht einem denn sonst um sechs Uhr früh die Tür auf?“

Sneakers retten die Füße

Begleitet wurde Kristina von ihrer Altbraut und Nachbarin, Elisabeth Galfusz. Dem Brauch nach sagt die Altbraut in jedem Haus den Spruch „Die Braut tat a sche bitten um a Kranzlgöd“. War früher das Haar, also der Flachs eine gute Basis für den Hausstand, so dient heute die Summe im Geldbörserl der Braut als Startkapital für die junge Familie.

Altbraut Elisabeth Galfusz erinnert sich an ihr Hoasammeln: „Das Dorf war vor 27 Jahren definitiv noch kleiner“, lacht sie und fügt an: „Viele Bräute plagten nach dem Hoasammeln Blasen an den Füßen. Das Problem hatte ich damals wie heute nicht, ich bin durch meinen Beruf im Gastgewerbe einiges gewohnt. Aber was das Schuhwerk betrifft, da sind die Bräute heute mit ihren Sneakers viel gescheiter, als wir es damals waren.“

Die heute 82-jährige Gertraud Zapfel plagte beim Hoasammeln im Jahr 1962 etwas ganz anderes: „Mir war so unglaublich schlecht. Du hast in jedem Haus etwas zu essen bekommen. Meine Schwiegermutter ermahnte mich damals, dass ich zumindest überall einmal abbeißen muss. Ich konnte 20 Jahre lang keine Frankfurter Würstel mehr anschauen.“

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