Neue Doku: Warum Kaisersteinbruch ein "Ort ohne Erinnerung" ist

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Regisseur Reinhard Tötschinger behandelt ein lange verschwiegenes Kapitel der burgenländischen Geschichte.

Kaisersteinbruch, ein Ortsteil der Gemeinde Bruckneudorf (Bezirk Neusiedl am See), wirkt heute wie einer von vielen unscheinbaren, kleinen Orten im Burgenland: Rund 250 Einwohner leben hier, Geschäft gibt es keines, auch ein Wirtshaus sucht man vergebens. Kaum etwas lässt erkennen, dass hier einst eines der größten Kriegsgefangenenlager des Deutschen Reichs stand.

Genau diesem „Ort ohne Erinnerung“ widmet Reinhard Tötschinger seinen ersten Dokumentarfilm, der am Donnerstag in die österreichischen Kinos kommt. Er erzählt vom Vergessen und von einer Vergangenheit, die trotz jahrzehntelangen Schweigens nie völlig verschwunden ist.

Spuren der Geschichte

In dem Lager waren Soldaten aus 18 Nationen interniert. Spuren dieser bewegten Geschichte sind bis heute sichtbar, etwa am Lagerfriedhof, wo jene begraben wurden, die Folter und Strapazen des Lagers nicht überlebten. Nachfahren gedenken dort ihrer Väter und Großväter, während Angehörige in Kaisersteinbruch nach Hinweisen auf Verstorbene und Überlebende suchen, die nach ihrer Rückkehr über das Erlebte nicht sprechen konnten.

Filmszene aus "Ort ohne Erinnerung".

Der Film wird ab Donnerstag in österreichischen Kinos gezeigt.

Dass heute viele – insbesondere jüngere – Bewohner von Kaisersteinbruch kaum noch etwas vom Lager wissen, liegt auch daran, dass der Ort nach dem „Anschluss“ 1938 nahezu vollständig geräumt und erst nach Kriegsende von Zugezogenen wiederaufgebaut wurde. Für Tötschinger zeigt dies beispielhaft, wie Erinnerung in Familien und Orten über Jahrzehnte unausgesprochen bleiben kann und wie Geschichte in Österreich oft verschwiegen oder verdrängt wird.

Der Film thematisiert zudem die langjährige Suche jener Kinder, die aus Beziehungen zwischen Frauen aus der Umgebung und französischen Kriegsgefangenen hervorgegangen sind und vielfach nicht einmal den Namen ihrer Väter kennen.

Was der Film zeigt

Historische Aufnahmen aus dem Lager in Kaisersteinbruch dokumentieren den Alltag der Gefangenen: „Rassenkundliche Untersuchungen an Franzosen und Belgiern“, abgemagerte Männer, Tote, daneben Wachleute, die in der Freizeit scherzen und feiern.

Diese Bilder machen „Ort ohne Erinnerung“ zu einem eindrücklichen Plädoyer gegen das Vergessen und für die Bedeutung von Erinnerung als Voraussetzung, aus der Vergangenheit zu lernen.

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