Auf der Intensivstation: Beruf als „Berufung“ seit 32 Jahren
Von Vanessa Halla
„Ich weiß nicht, warum viele diesen Beruf nicht mehr machen möchten.“ Sonja Reisinger aus Heiligenbrunn nämlich, die macht den Job als diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin auf der Intensivstation in der Klinik Güssing schon seit 32 Jahren – aus Berufung, wie sie selbst sagt.
„Nicht einfach“ – das sagt die heute 51-Jährige zwar auch, aber in ihrem Fall habe das mit den bereits erreichten Lebensjahren zu tun. „Klar merke ich, dass meine Dienste körperlich anstrengender werden. Mit Anfang Zwanzig habe ich Nachtschichten locker weggesteckt. Aber trotzdem liebe ich meinen Beruf immer noch, wie zu meinen Anfängen als Krankenschwester“, betont sie.
Sonja Reisinger stammt aus Heiligenbrunn im Südburgenland, ist verheiratet, hat zwei erwachsene Töchter, einen Cockerspaniel, der auf den Namen Louis hört und ist im Privatleben leidenschaftliche Köchin. Vielen ist die quirlige Krankenschwester durch ihre Kochbücher ein Begriff – viele waren aber auch, abgesehen von neuen Rezepten, bereits froh über Sonjas Hilfe.
Sonja Reisinger arbeitet seit 32 Jahren auf der Intensivstation der Klinik Güssing.
Job in der Heimat
„Zu Pflegen war immer schon mein großer Traum. Als Kind wollte ich Säuglingsschwester werden. Damals gab es die Ausbildung dazu im Burgenland aber noch nicht, also habe ich mich an der Krankenpflegeschule in Oberwart beworben. Vor 35 Jahren war der Beruf noch sehr begehrt und die Ausbildungsplätze dementsprechend rar. Ich hatte Glück und schaffte es beim ersten Anlauf.“
Nach ihrer Ausbildung zur Krankenschwester bekommt Sonja eine Stelle im Krankenhaus Kittsee – am anderen Ende des Burgenlandes und zwei Stunden Autofahrt entfernt. „Dass man damals eine Stelle in der Nähe des Heimatortes bekommt, war sowieso nicht selbstverständlich.“ Ein Jahr später dann aber: Sonja Reisinger wechselt ins Spital nach Güssing und ist 32 Jahre später noch immer dort. „Ich hatte großen Respekt vor der Arbeit. Anfangs bin ich nämlich auch mit dem Notarztwagen mitgefahren. Du betreust Opfer schwerer Verkehrsunfälle, siehst Patienten mit abgetrennten Gliedmaßen und natürlich kam es vor, dass die Menschen noch an der Unfallstelle verstorben sind. Das macht etwas mit dir, keine Frage“, sagt Sonja Reisinger.
Die Südburgenlähat dann auch viel gemacht – Sonderausbildungen zum Beispiel. Heute arbeitet sie auf der Intensivstation im Bereich der Anästhesie und ist im Aufwachzimmer im Einsatz.
Beruf als Berufung
Dass sie nach über drei Jahrzehnten noch immer schwerkranke und verletzte Patienten pflegt, hat damit zu tun, dass es „mehr als ein Job ist. Es ist meine Berufung. Auf der Intensivstation leistest du anspruchsvolle Pflege von lebensbedrohlich kranken Patienten. Du überwachst permanent ihre Vitalfunktionen und bedienst modernste medizinische Geräte. Zu meinen Aufgaben gehören Medikamentengabe, Wundversorgung, künstliche Beatmung, Assistenz bei Eingriffen und natürlich die tägliche Körperpflege der Patienten. Es ist eine teamorientierte Arbeit in einem oft stressigen Umfeld mit hoher Verantwortung. Ich habe das große Glück in einem wirklich großartigem Team arbeiten zu dürfen.“
Dass es auf einer Intensivstation nicht immer Happy Ends gibt, verarbeitet die lebensfrohe Krankenpflegerin auf ihre Weise. „Nach jedem Dienst mache ich noch einen Spaziergang mit meinem Hund und gehe meinen Kopf auslüften. Wenn ein Patient trotz intensiver Pflege stirbt, ist das immer schlimm. Aber vielleicht konnte ich ihm noch helfen, Unerledigtes abschließen oder für ihn wichtige Gespräche zu führen. Ich selbst lebe sehr bewusst, weil ich durch meinen Beruf weiß, wie endlich das Leben ist.“
Privat veröffentlicht Sonja Reisinger auch Kochbücher.
Das Burgenland am Teller
Sonja Reisinger hat aber nicht nur für schwierige Lebenslagen ein Rezept parat, sondern auch Hunderte davon in ihren insgesamt vier Kochbüchern in Bild und Text festgehalten (Eigenverlag, erhältlich per eMail an sonjareisinger0609@icloud.com). Kochen nämlich, das ist die ganz große Leidenschaft der Heiligenbrunnerin. „Als Jugendliche musste ich zu Hause oft kochen, weil meine Mutter im Schichtberuf in einem Altenwohnheim arbeitete. Das war nicht immer lustig, vor allem, wenn du am Wochenende Party gemacht hast. Als ich zu arbeiten begonnen habe, wurde mir aber schnell klar, dass es Gold wert ist, dass ich kochen kann. Wenn ich heute etwas koche, dann gelingt mir das Gericht zu 98 Prozent. In meinem Beruf als Krankenschwester passiert es trotzdem, dass ein Patient verstirbt – auch, wenn ich 100 Prozent gegeben habe. So ist das Leben. Nicht immer fair, aber ich versuche trotzdem, das Gute nie aus den Augen zu verlieren.“
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