„Diplomatin der Mundart“
Um ihren 90. Geburtstag im kommenden Jahr möchte Anny Polster nicht viel Wind machen. „Nein, nein, dieses Tamtam brauch ich nicht“, das habe sie im Eisenstädter Haus St. Martin, wo die gebürtige Müllendorferin seit zwei Jahren lebt und sich wohl fühlt, längst klargestellt. Sichtlich mehr beschäftigen die Autorin die Zeilen, an denen sie gerade feilt. „Diese Kurzgeschichte macht mich narrisch, das ist jetzt schon das 18. Konzept“, ärgert sich die Dame mit dem widerspenstigen Werk in Händen über ihre „Selbstkritik, da könnt ich mir immer eine Tätschn geben“. Wohl erst die 19. Version werde sie „leben lassen“. Veröffentlichen möchte Anny Polster die Kurzgeschichte mit dem Titel „Nur das nicht“ aber nicht, der bürokratische Weg sei zu aufreibend, zudem mangele es an Subventionen.
Dabei hätte die 89-Jährige allen Grund zu einigen Jubiläumszeilen, denn heuer vor 60 Jahren begann ihre schriftstellerische Laufbahn.
„Ich wär’ gerne Lehrerin geworden, das war wegen der Kosten aber nicht möglich.“ Anny Polster
Ihre ersten literarischen Gehversuche liegen noch weiter zurück: „Beim Ferien-Preisausschreiben der Wiener Volks-Zeitung 1937 bin ich unter 48 österreichweiten Teilnehmern an die fünfte Stelle gekommen, da war ich 13 Jahre alt. Das heißt schon was“, sagt die Rentnerin nicht ohne Stolz. „Für damalige Begriffe eine Sensation“ sei es gewesen, als ein Essay aus ihrer Feder am 2. August 1953 in Wien, danach in Eisenstadt abgedruckt wurde. Fünf Lyrik- und Prosabände folgten. 2006 brachte Anny Polster ihr Spätwerk „An des Tages Schwelle“ heraus, ein sehens- wie lesenswertes Nachschlagewerk, das einem Zeitdokument gleicht und gar Landeshauptmannstellvertreter Franz Steindl zu einem Gratulationsschreiben hinriss.
Fixfertig zugeflogen
Dass die eloquente Dame auch Gedichte verfasst hat, verneint sie vehement: „Die sind mir immer fixfertig zugeflogen, hätt’ ich sie dann nicht gleich niedergeschrieben, wären sie wieder weg gewesen.“ Als ihre Besten bezeichnet sie „Die Straße“ – dieses Gedicht wurde gar in die Frankfurter Bibliothek aufgenommen – und „Das Blümchen“. Die bevorzugte Sprache in ihren Kurzgeschichten sei der Dialekt, „weil da kann sich keiner beleidigt fühlen“, beschreibt Polster die „Diplomatie der Mundart“. Welcher Sprache sie sich auch verschrieben hatte: „Alle Werke sollten immer auf Harmonie und Unterhaltung enden“, ein Krimi beispielsweise habe sie nie gereizt, Probleme gebe es im täglichen Leben genug.
Und da spricht die Müllendorferin aus Erfahrung: „Nach dem Ableben meiner Mutter 1942 war es ein reiner Gewaltakt“, die damals 18-Jährige hatte fortan Bruder und Vater zu versorgen. „Ich hab’ mehr den Schurz meines Vaters gestopft als meine Strümpfe“. Ab ihrem 16. Lebensjahr war sie nach der schulischen Ausbildung in Eisenstadt und täglich zwölf Kilometer Fußmarsch als Sekretärin tätig. Die „Überbelastung aus Haushalt und Beruf“ ließ die mehrfach ausgezeichnete Autorin dann eine neue Lust entdecken: das Reisen. 1948 verbrachte die heute Weitgereiste ihren ersten Urlaub in Salzburg. „Da hat mich aber das schlechte Gewissen gedrückt, weil ich wusste, daheim geht alles drunter und drüber. Also bin ich nachhause zurück.“
Erstmals weggeflogen
Um nicht nochmal so einfach abbrechen zu können, hat sich Polster 1959 erstmals ins Flugzeug gesetzt, sagenhafte 22 Stunden habe es gedauert, bis sie in Dubrovnik landete, um dort letztlich für eine Spionin gehalten zu werden. Anekdoten von ihren Reisen von Spitzbergen bis auf die Kanarischen Inseln, von Madeira bis Kleinasien hat die Literatin so viele wie Souvenirs: „Auf Gibraltar hat mir ein Affe meine Tasche gestohlen“.
Auf die Frage, was sie in ihrem Leben gerne anders gemacht hätte, antwortet Polster: „Ich wär gerne Lehrerin geworden, das war wegen der Kosten aber unmöglich, wir hatten ja oft nicht mal ein Stück Brot“. Sozusagen den Rotstift muss sie bei literarischen Ergüssen von heute ansetzen: „Da bin ich nur sekundär auf den Inhalt, primär auf die Grammatik bedacht“. Der Umgang damit sei „krass“.Bücher hat die schon in jungen Jahren „Lesesüchtige“ trotz Sehschwäche keineswegs beiseitegelegt. „Die Lupe liegt immer griffbereit.“
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