Das verloren geglaubte Buch: Chroniken eines Burgenlandungarn

Bestseller wird das keiner. Dafür sorgt allein der sperrige Titel „Beschreibung von Oberwart. Ursprung, Wandel, Geschichte und Fakten der Stadt. Für die Bewohner von Oberwart“. Dem umfangreichen Inhalt des jüngst veröffentlichten Werks aus der Feder des 1969 verstorbenen János Topler wird er aber mehr als gerecht. Dabei ist die Veröffentlichung nur einem glücklichen Zufall zu verdanken.
Denn eigentlich galten Toplers Schriften als verschollen.
Ältere Generationen wussten noch von dicken schwarzen Notizheften, in denen Topler die Geschichte Oberwarts aus dem Blickwinkel der Burgenlandungarn minutiös nachgezeichnet haben soll.
Wer war János Topler?
Die Suche danach verlief ergebnislos. Doch dann der glückliche Zufall: Toplers Angehörige überließen dem Burgenländisch-Ungarischen Kulturverein (BUKV) die gesammelten Bände, unlängst sind die 22 Kapitel in der Zeitschrift „Őrség“ (auf Deutsch: Bewachen), dem Jahresmagazin des BUKV, erschienen.

Geboren 1902 in Oberwart, ist der 1969 Verstorbene der älteren Generation noch unter dem Spitznamen „Fokos“ bekannt. Die Leidenschaft für Geschichte führte den ehemaligen Landwirt und Beamten in seinen handgeschriebenen Aufzeichnungen zurück bis ins 3. Jahrtausend vor Christus. Wie wichtig ihm diese waren, beweist der Umstand, dass er seine erste Fassung aus dem Jahr 1946 etwa 15 Jahre später noch einmal überarbeitete.
Burgenlandungarn leben heute hauptsächlich in zwei Sprachinseln um Oberpullendorf/Felsöpulya und Oberwart/Felsöör sowie in kleineren Gruppen in Gemeinden im Nordburgenland
4.000 Menschen bekennen sich zur ungarischen Volksgruppe, etwa 10.000 Personen zählen zur Sprachgruppe
(Quelle: „Sprachgruppen und Mehrsprachigkeit im Burgenland“ von Gerhard Baumgartner)
In den 22 Kapiteln finden sich detailliert etwa die Riednamen Oberwarts und die Ableitung zu ihrem Ursprung. Als tiefgläubiger Mensch beschäftigte er sich auch intensiv mit der Geschichte der reformierten Kirchengemeinde.
Der Burgenländisch-Ungarische Kulturverein (BUKV) wurde 1968 in Oberwart gegründet. Ziele sind unter anderem die Wahrung der Rechte und Interessen der burgenländischen Ungarn, die Erhaltung der ungarischen Sprache und des kulturellen Erbes sowie die Förderung des Brauchtums und vieles mehr.
Von Anfang an hat der Verein auch publiziert. Zunächst in Form eines „Mitteilungsblattes“, dann mit den Zeitschriften „Őrség“ und „Őrvidéki Hírek“ mit zahlreichen Kolumnen und künstlerischen beziehungsweise literarischen Texten.
Vereinszweck ist natürlich auch das Organisieren von Veranstaltungen. Im heurigen Jahr bietet das 55. Bestandsjubiläum Anlass genug. Die nächste Veranstaltung ist das Jubiläumskonzert mit Zsuzsannával Debrei und Attilával Hertelendy am Samstag, 18. März, im Kulturhaus Unterwart unter dem Motto „Musical und Retro-Schlager“, Beginn ist um 18 Uhr.
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In diesen Kontext passt auch ein spannender Exkurs in die religiöse Geschichte der Region, in der die Burgenlandungarn drei verschiedenen Religionsrichtungen angehören: Die Bewohner von Unterwart/Alsóőr sind Katholiken, die Bewohner von Siget/Őrisziget in der Wart sind Lutheraner und in Oberwart/Felsőőr finden wir die einzige calvinistische Gemeinde Ostösterreichs außerhalb von Wien. Der Grund dafür liegt im 17. Jahrhundert, als die adelige Grundherrenfamilie Batthyány wieder zum Katholizismus zurückkehrte, während die kleinadeligen Grenzwächtersiedlungen protestantisch blieben. Oberwart wurde hingegen zu einem Zentrum des westungarischen Calvinismus.
Zurück zum Buch: Der Autor erwähnt die Einführung des Grundbuches und die verheerenden Brandkatastrophen, die zur Gründung der Feuerwehr führten.

Die Leserinnen und Leser bekommen einen Einblick in das wieder erwachende Leben in Oberwart nach dem Zweiten Weltkrieg. Sein Bericht schließt mit einer Auflistung der Gastronomie- und Handwerksbetriebe im Jahre 1960.
János Topler hinterließ der Nachwelt Hunderte von Gedichten, in welchen er die Liebe, die Natur und seine Reisen thematisiert. Für die ungarische Volksgruppe sind vielleicht die Hochzeiten der 1950-er Jahre am interessantesten, als er persönliche Gedichte für den Heiratsantrag und die Jungvermählten verfasste. Die enge Verbundenheit zu seinem Geburtsort belegt auch die von ihm verfasste Hymne auf Oberwart, in der er um eine behütete und glückliche Zukunft für die Stadt bittet.
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