Wie Chicago zur größten Stadt der Burgenländer wurde

Das Bild der Momentothek aus dem Jahr 1930 zeigt Karl Heigl mit seinem Bruder Adolf und dessen Frau in Chicago.
Chicago als Zentrum der Burgenländer-Diaspora? Das war für tausende Burgenländerinnen und Burgenländer gelebte Realität. Zwischen dem späten 19. Jahrhundert und den 1930er-Jahren verließen Zehntausende ihre Heimat, um in den USA ein besseres Leben zu finden.
Vielerlei Gründe
Die Ursachen für diese große „Amerikawanderung“ waren vielfältig: Die dörfliche Bevölkerung des damaligen Deutsch-Westungarns, das später zum Burgenland wurde, lebte meist von kleinen Landwirtschaften. Es gab so gut wie keine Industrie und viele Menschen mussten als Saisonarbeiter überleben.
Der demografische Wandel verstärkte den Druck: Sinkende Sterberaten bei gleichzeitig hoher Geburtenrate führten zu Überbevölkerung in den Dörfern.
Amerika als Option
Ab den 1870er-Jahren wurde Amerika zur Option. Arbeiter wurden in den USA dringend benötigt, etwa in Schlachthöfen, Brauereien oder Zementwerken rund um Chicago, New York und Pennsylvania. Die Berichte früherer Auswanderer, „erfolgreicher Rückkehrer“ und die Werbung der Reedereien befeuerten den Trend.
Die Migration verlief in Wellen: Die erste große setzte um 1890 ein, erfasste zunächst den Seewinkel, dann Oberpullendorf, Oberwart und zuletzt Güssing.
Motorrad für neues Leben
1926 brach etwa Karl Heigl aus dem Bezirk Oberwart zu einem neuen Leben auf (Bild): Nach dem Tod seines Dienstgebers, Graf Ludwig von Erdödy, verkaufte er sein Motorrad – eines der ersten im Bezirk – sowie eine goldene Zigarettendose und wanderte in die USA aus. In Chicago fand er Arbeit in einer Fabrik für Trompetenmundstücke. Heigl gründete eine Familie mit einer Frau aus Großpetersdorf und wurde Vater einer Tochter und eines Sohnes.
Mit der Zeit entstanden in den USA regelrechte burgenländische Siedlungscluster. 1905 wurde mit mehr als 3.000 Ausreisen in einem Jahr der vorläufige Höhepunkt erreicht. Nach dem Ersten Weltkrieg kam es zu einem „Rückstau“: Viele wollten das im Krieg verdiente Geld in der Heimat investieren, andere sahen in Österreich keine Perspektive.
1923 wanderten aus dem Burgenland mehr Menschen in die USA aus als aus jedem anderen Bundesland. Mit einem neuen US-Einwanderungsgesetz wurde die Bewegung 1924 jäh gebremst: Die Quoten wurden drastisch reduziert. Die letzte kleinere Welle folgte nach dem Zweiten Weltkrieg, aber mit Zielen wie Kanada oder Australien.
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