Auswanderung: Vom Rabnitztal nach Chicago – und zurück

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Wie die Geschichte der Familie Haspel zur Brücke zwischen Unterrabnitz und den USA wurde.

Von Josef Lang

Als Ella Haspel im Jahr 1929 mit ihren Eltern Elisabeth und Michael Unterrabnitz verließ, war sie gerade vier Jahre alt. Die wirtschaftliche Not der Zwischenkriegszeit zwang viele Burgenländerinnen und Burgenländer zur Auswanderung.

Für die Familie Haspel lag die Hoffnung auf ein besseres Leben jenseits des Atlantiks – im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“. Ziel ihrer Reise: Chicago, die aufstrebende Metropole im Mittleren Westen der USA.

Der Start war – wie für viele andere auch – alles andere als leicht. Doch mit dem burgenländischen Fleiß gelang es den Haspels, Fuß zu fassen. Die kleine Ella lernte Englisch, ohne ihre Herkunft zu vergessen: Mit Hilfe ihrer Mutter pflegte sie auch in der Ferne weiterhin die alte Unterrabnitzer Mundart, den „Ramaza-Dialekt“.

Ellas Sohn kam zurück

Nach der Schulzeit wuchs Ella in das amerikanische Leben hinein und heiratete schließlich Harald Kammrath. Das Paar bekam drei Kinder: Edward, Michael und Karin. Sohn Edward Kammrath entwickelte sich zu einem sportlichen Talent und wurde im 100-Yards-Lauf (91,44 Meter) sogar Landesmeister.

Doch das Erbe seiner Mutter ließ ihn nicht los: Die Geschichten über die ursprüngliche Heimat faszinierten ihn. 1990 kam Edward für ein halbes Jahr nach Unterrabnitz, wo er bei einem Verwandten – in der elektromechanischen Werkstätte der Firma Heißenberger – mitarbeitete.

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Auf dem Haus der Nachfahren der Familie Haspel hängt Österreichs Flagge – 365 Tage im Jahr.

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Edward „Skiie“ Kammrath (links unten) mit seiner Familie, die weiter Kontakt hält. 

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Besuch bei Ex-Bürgermeister Willi Heißenberger, der auch  verwandtschaftlich verbunden ist. 

Verliebt in die Wurzeln

Es war nicht nur ein beruflicher Aufenthalt: Edward lernte Deutsch, verstand sich bestens mit seiner neuen Umgebung und entdeckte seine Wurzeln neu. Besonders beeindruckt waren die „Amerikaner“ vom Faschingsbrauch des Ortes – dem seltenen Umzug mit Bär, Bärentreiber und Kasperl, wie er sonst nur noch aus Nassereith in Tirol bekannt ist.

Der Aufenthalt wurde zum Wendepunkt. Edward – Spitzname „Skiie“ – fand in Willi Heißenberger, dem damaligen Bürgermeister und Cousin zweiten Grades, einen engen Freund. Die Verbindung blieb über die Jahre bestehen. Inzwischen fliegt Skiie fast jedes Jahr ins romantische Rabnitztal und gilt dort längst als „Einheimischer“.

Auch seine Kinder – Jackson, Anna und Marcus – pflegen die familiären Bande. Mit Julia und Sarah, den Töchtern von Willi Heißenberger, verbindet sie ein reger Austausch – nicht nur per eMail, sondern auch durch gegenseitige Besuche. Dabei eigneten sich die amerikanischen Verwandten sogar die österreichische Lieblingssportart an: das Skifahren. Vom ersten Schwung in Unterrabnitz bis zu den Hängen amerikanischer Skigebiete – der Kreis schloss sich auf sportliche Weise – und passt auch zum Spitznamen: von Skiie zu Ski.

Heimat ist ein Gefühl

Die Verbindung wird auch gezeigt: Vor Edwards Haus in Union Mills weht 365 Tage im Jahr die rot-weiß-rote Fahne – ein sichtbares Zeichen seiner Verbundenheit mit der Heimat seiner Mutter. Und wer den Weg nach Unterrabnitz sucht, findet an seiner Hauswand eine klare Ansage: 4.698 Meilen oder 7.563 Kilometer trennen die beiden Orte.

Die Geschichte von Ella und Edward ist mehr als ein Stück Familiengeschichte. Sie ist ein Zeugnis dafür, wie Migration nicht nur Entwurzelung, sondern auch neue Bindung schaffen kann – über Generationen hinweg. Und sie zeigt: Heimat ist kein Ort allein, sondern ein Gefühl.

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