Bluttat in Poppendorf: Ein Toter, ein Verdächtiger, kein Prozess

Spürhunde fanden Jahre nach dem Tötungsdelikt Blutspuren am damaligen Tatort.
Von Gernot Heigl
Ein Tötungsdelikt an einem zweifachen Familienvater in Poppendorf wurde von burgenländischen Kriminalisten bereits vor Jahren aufgedeckt. Der identifizierte Hauptverdächtige ist jedoch nach wie vor auf freiem Fuß.
Speziell ausgebildete Polizeihunde spürten im Jahr 2021 geringste Spuren menschlichen Blutes am Tatort in Poppendorf auf. Wichtige Beweise für Kriminalisten der burgenländischen Mordabteilung, die schließlich nach akribischer Ermittlungsarbeit eine Bluttat aufdeckten. Nämlich ein Verbrechen, das bereits 2013 begangen worden war.
Fahnder rekonstruierten, dass es bei Renovierungs- und Umbauarbeiten in einem Bordell zum Streit unter Arbeitern einer ausländischen Firma gekommen war. Der Kampf endete für einen zweifachen Familienvater aus Polen tödlich.
Leiche im Kofferraum
Um die Leiche rasch verschwinden lassen zu können, wurde das Opfer im Kofferraum eines Pkw rund 200 Kilometer quer durch das Burgenland transportiert. In einem Waldstück in der Slowakei war Endstation. Dort lud man den Körper ab, bedeckte ihn mit Geäst und kehrte an die Baustelle in Poppendorf zurück.
Nach der Entfernung aller offensichtlich erkennbaren Kampfspuren wurden die Arbeiten an der Baustelle fortgesetzt, so, als ob nichts gewesen wäre.
Jahrelang unbemerkt
Obwohl Schwammerlsucher schon einige Monate nach dem Verschwinden des zweifachen Familienvaters dessen Leiche entdeckt hatten, blieb das Verbrechen acht Jahre lang unbemerkt. Bis vage Hinweise über eine Bluttat im sogenannten „Popphaus“ auftauchten, die Nachforschungen burgenländischer Kriminalisten auslösten.
Den Polizisten gelang es schließlich, damalige Baustellenarbeiter mit Wohnsitz in Tschechien auszuforschen. Fahnder aus Eisenstadt fuhren daraufhin ins Nachbarland, vernahmen dort gemeinsam mit örtlichen Kollegen mehrere Männer und konfrontierten sie mit Mordvorwürfen.

Das Bordell ist schon seit einiger Zeit dauerhaft geschlossen.
Einige von ihnen konnten oder wollten sich an keinen Vorfall erinnern. Erklärungsversuche des Hauptbeschuldigten zum Tathergang mündeten letztendlich in einer „Unfallversion“. Das Opfer sei alkoholisiert gewesen, wie alle Arbeiter an diesem Abend, irgendwie zu Sturz gekommen und gegen eine Hausmauer gefallen. Dabei habe sich der zweifache Familienvater vermutlich eine tödliche Kopfverletzung zugezogen, ohne dass es jemand an der Baustelle bemerkt hätte. Erst am nächsten Morgen fand man den Polen, da war er aber schon verstorben. Aus Eigenverschulden. Mit seinem Tod habe keiner der Verdächtigen etwas zu tun.
Unfall oder Mord?
Krass im Widerspruch dazu die Aussage eines Arbeiters, der 2021 im Polizeiverhör seinen Kollegen schwer belastete. So soll der Täter in einem heftigen Streit auf sein Opfer eingeprügelt und es mit dem Schädel gegen eine Wand geschlagen haben. Daraufhin sei der Pole röchelnd zu Boden gesunken und dort einfach liegen gelassen worden. Am nächsten Tag war er tot. Die Leiche habe man dann „verschwinden“ lassen. Genaue Details dazu gab es von keinem der Verdächtigen.
Die Anklage
An einen Unfall glaubten die österreichischen Ermittlungsbehörden nicht. Deshalb wurde von der Staatsanwaltschaft im Jahre 2023 Anklage erhoben. Vorerst nur gegen den vermeintlichen Haupttäter (59).
Da es für Mord zu wenige hieb- und stichfeste Beweise gab, lauten die Vorwürfe auf „Körperverletzung mit tödlichem Ausgang, Störung der Totenruhe und Unterlassung der Hilfeleistung“. Strafrahmen: ein bis 15 Jahre.
Die Ladung ins Landesgericht Eisenstadt konnte dem Tschechen allerdings nicht zugestellt werden, da der Beschuldigte untergetaucht ist, möglicherweise in seiner Heimat.
Kein EU-Haftbefehl
Deshalb gab es bis dato auch noch keinen Prozess und befindet sich der Verdächtige auf freiem Fuß. Unbehelligt, denn obwohl es sich um ein Tötungsdelikt handelt, gibt es erstaunlicherweise keinen europäischen Haftbefehl, sondern – laut Gericht – nur eine Aufenthaltsermittlung. Diese dient österreichischen Behörden im Regelfall lediglich zur Ermittlung einer aktuellen Wohnadresse, um etwa Ladungen für gerichtliche Verfahren zustellen zu können.
Auf KURIER-Nachfrage, warum diese Vorgangsweise gewählt worden ist, gab es seitens der Justiz keine klare Antwort.
Somit bleibt weiterhin offen, ob der Tod des Polen im Südburgenland jemals gerichtlich aufgearbeitet wird.
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