"Am stolzesten ist meine Mama"
Einen Termin zu finden, war an diesem Donnerstag Ende Oktober nicht schwierig. "Der Tag passt gut, ich kann mir dafür Zeit nehmen", meint Tobias Mindler auf die Interviewanfrage des KURIER. Noch vor wenigen Wochen wäre das undenkbar gewesen. Da hatte er keine freie Minute übrig. Tobias Mindler ist Pressesprecher beim Roten Kreuz Burgenland. Sein Einsatzgebiet der vergangenen Monate: Nickelsdorf.
"Vor Ort waren wir ja schon ab Mai. So richtig losgegangen ist es dann im August. Dass es aber 10.000 pro Tag werden würden, war nicht absehbar", sagt Mindler. Anfangs habe er noch viele persönliche Schicksale der ankommenden Flüchtlinge mitbekommen. "Ich bin oft mit Tränen in den Augen nach Hause gefahren und war froh, ein Bett und eine Dusche zu haben", verrät er. Als schließlich Tausende in Nickelsdorf betreut werden mussten, war keine Zeit mehr, den persönlichen Kontakt zu den Menschen zu suchen. "Es hat Tage gegeben, da konnte ich gerade einmal zehn Minuten eine Pause machen."
Professionalität
Durch das nationale und internationale Medienaufgebot beim Flugdach in Nickelsdorf wurde Tobias Mindler über die Landesgrenze hinaus bekannt. "Ich habe BBC und der New York Times ein Interview gegeben. Das hätte ich mir nie erträumen lassen, dass ich einmal mit denen rede", sagt er. Er selbst habe aber keinen einzigen Fernsehbeitrag gesehen. "Ich war ja nie daheim." Ganz anders die Familie: "Am stolzesten ist die Mama. Jetzt wird sie beim Einkaufen immer darauf angesprochen."
Bei den Interviews glänzte der 35-Jährige stets mit einem professionellem Auftreten. "Ich repräsentiere das Rote Kreuz. Die Werte unserer Organisation stehen im Vordergrund. Wir sind neutral und unparteilich. Unsere einzige Aufgabe ist es, die Menschen zu betreuen."
Während der gebürtige Oberschützener voll und ganz hinter diesen Werten steht, war das während dem Einsatz in Nickelsdorf nicht bei all seinen Kollegen der Fall. "Wir haben uns von einigen trennen müssen, weil sie gegen diese Werte verstoßen haben."
Dass in Nickelsdorf alles so reibungslos funktioniert hat, hat für Tobias Mindler einen Namen: "Hans Peter Doskozil. Er hat von Anfang an alle Fragen beantwortet, war offen und ehrlich. Das hat uns die Arbeit ungemein erleichtert. Er ist der Grund, warum es im Burgenland so gut funktioniert hat." Die Zusammenarbeit sei perfekt organisiert gewesen.
"Psychotante"
Mindler hat Kommunikationswissenschaften studiert, sich schon während der Ausbildung auf Krisen-PR spezialisiert und ist ausgebildeter Notfallsanitäter. In seiner Zeit beim Roten Kreuz hat er schon vieles mitansehen müssen. Um nicht auszubrennen, hat er seine Kraftquellen, die er regelmäßig anzapft. "Ich gehe einmal im Monat zu meiner Psychotante. Da bespreche ich alles, was mich belastet", erzählt Mindler ganz offen.
Außerdem sei er so oft wie möglich in der Natur. "Beim Wandern kann ich richtig abschalten." Das habe er im Sommer nur ein einziges Mal geschafft. "An einem Sonntag ist ein Kollege für mich eingesprungen und ich konnte auf die Rax gehen. Das war herrlich."
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