Alltag im Ausnahmezustand: "Kein Zimmer frei" in der Justizanstalt

Ein langer Flur mit weißen Türen und einem dunklen, gesprenkelten Boden.
Mehr als 50 Häftlinge zu viel, zu wenig Personal, streng kontrollierte Besuche und kaum Privatsphäre – ein Blick hinter die Gefängnismauern im Burgenland.

Von Gernot Heigl

Enge Zellen, volle Belegung und psychischer Druck – der Alltag in der Justizanstalt Eisenstadt ist längst zur Herausforderung geworden. Statt leerer Betten herrscht akuter Platzmangel: 226 Häftlinge teilen sich Räumlichkeiten, die offiziell für 175 Personen ausgelegt sind. Das belastet nicht nur die Infrastruktur, sondern auch das Personal massiv.

„Wir sind übervoll – und das rund um die Uhr“, sagt Oberstleutnant Klaudia Osztovics, stellvertretende Anstaltsleiterin. Das System, das auf Dauerbetrieb ausgelegt ist, stößt zunehmend an seine Grenzen.

Osztovics: „Das geht an die Substanz unseres Personals mit einem Stand von rund 60, die in Tages- und Nachtschichten ihre Dienste versehen. Da wir sowieso rund um die Uhr besetzt sein müssen, ist dieser hohe Insassenstand ein Wahnsinn, eine massive und zusätzliche Herausforderung. Aber auch für die Insassen. Wegen des Platzmangels müssen wir in Zweipersonen-Zellen ein drittes Bett stellen und in einem Einzelzimmer eine Doppelbelegung unterbringen.“

Rundgang im Häfen

Bei einem Rundgang zeigt sich, dass die Zellenausstattung grundsätzlich spartanisch funktionell ist. Von Luxus keine Spur: Dusche und Sanitäreinrichtungen gibt es in jedem Raum, ebenso Betten, einen Tisch, Sessel, einen Kasten und eine Gegensprechanlage, um mit dem Personal Kontakt aufnehmen zu können. „Da Insassen, die nicht in der Anstalt arbeiten, 23 Stunden in der Zelle verbringen müssen und täglich nur eine Stunde Hofgang haben, gibt es in den Hafträumen auch Fernseher. Zur Ablenkung und Unterhaltung, was sollen sie sonst tun“, argumentiert Osztovics.

Zwei Justizvollzugsbeamte stehen in einem Flur mit Zellentüren.

Zur Arbeit der Insassen erläutert sie: „Jeder Strafgefangene ist zur Arbeit verpflichtet, wie etwa in der Wäscherei oder in der Küche, von 7.30 bis 14.30 Uhr. Untersuchungshäftlinge haben die Wahl: Sie können, müssen aber nicht arbeiten.“ Angesprochen auf die Essensversorgung schildert die Frau Oberstleutnant: „Es gibt keine Garnelen, damit gleich mal klar ist, dass wir hier keine Gourmetküche haben. Aber das Essen ist sehr gut und steht auch dem Personal zur Verfügung. Gegen Bezahlung, versteht sich.“

Einrichtung mit Etagenbett, Tisch und vergittertem Fenster.

Die Auswahl umfasst neben „normalem Essen“ auch vegane und vegetarische Speisen, ebenso nach religiösen Regeln zubereitete Kost. Daher kommen Gerichte mit Schwein seltener auf die Menükarte als Huhn, Rind und Pute. „Bei Bedarf gibt es auch Schonkost. Alles in allem soll das Essen aber kostengünstig sein und idealerweise regional. Da aber auch wir unter der Budgetsituation des Bundes leiden und einem Sparkurs unterliegen, ist das ein großes Problem“, so Klaudia Osztovics.

Auch Besucher werden streng kontrolliert

Besucher von Häftlingen werden vor Zutritt genauestens kontrolliert und müssen auch durch einen Metalldetektor. Handys sind strikt verboten und werden für die Dauer einer Visite auch Anwälten abgenommen. „Es gibt drei Besuchsmöglichkeiten. Eine Begegnung hinter einer Scheibe, wie man das aus dem Fernsehen kennt. Einen Besuch an einem Tisch oder sogar einen Langzeitbesuch, der maximal vier Stunden dauern darf. Letzteres wird aber nur ausgewählten Häftlingen erlaubt.“

Die Justizanstalt Eisenstadt, ein modernes Gebäude mit brauner Fassade, unter blauem Himmel.

In dieser Zeitspanne können sich Familien mit Kindern unterhalten oder sich Mann und Frau näherkommen. „Was da genau passiert, bleibt unbeobachtet und interessiert uns nicht“, klärt die stellvertretende Anstaltsleiterin auf. „Wir kontrollieren die Personen nur davor und danach, ob nichts geschmuggelt worden ist.“ Strenge Kontrollen gibt es auch bei Neuankömmlingen, die entweder von der Polizei eingeliefert werden oder aber freiwillig ihre Haft antreten.

Razzien mit Hunden

Zellenrazzien und Inspektionen finden ebenfalls immer wieder statt, immer unangekündigt, manchmal auch mit Drogen-Spürhunden. „Es gibt aber kaum Vorfälle, ganz selten bis gar nicht werden verbotene Gegenstände oder Substanzen gefunden. Grundsätzlich ist es hier in der Anstalt wirklich ruhig, Das Burgenland ist eben anders.“

Eine Justizwache-Beamtin sitzt an ihrem Schreibtisch vor zwei Computermonitoren.

Im Umgang zwischen Häftlingen und Wachpersonal gibt es klare Spielregeln. „Wir sind ,per Sie‘, um Abstand und Respekt zu wahren. Bezüglich Autorität hilft uns da natürlich auch die Uniform. Unabhängig davon reden wir viel mit den Insassen, um Spannungen von Haus aus zu vermeiden.“ Bewaffnet sind die Justizbeamten nur im Nachtdienst – oder aber, wenn Gefangene verlegt oder ins Gericht vorgeführt werden müssen. Im Normalbetrieb trägt das Personal nur einen Teleskop-Schlagstock und hat einen Pfefferspray bei sich.

Wer sitzt hier ein?

„Unter den Häftlingen haben wir hier eine bunte Mischung, vom salopp formulierten Hendldieb bis hin zum Mörder. Also ist beim Personal immer Fingerspitzengefühl gefragt. Speziell dann, wenn Täter mit Sexualdelikten einsitzen, insbesondere wenn es um Vorfälle mit Kindern geht“, schildert Klaudia Osztovics. „Unsere Arbeit ist herausfordernd und alles andere als einfach, aber wir geben uns Mühe, damit wir alle bei Laune halten.“

Selten, aber doch kommt es in der grundsätzlich als sicher geltenden Justizanstalt Eisenstadt auch zu Ausbrüchen. Viele Jahre zurückliegend haben zwei Szenerien für Großeinsätze gesorgt: In einem Vorfall zwängten Insassen mit einem Wagenheber die Gitterstäbe auf und rutschten über die Dachrinne in Freiheit. Bei einem anderen gelang Häftlingen bei Umbauarbeiten die Flucht durch einen Lüftungsschacht.

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