82-Jähriger wurde "wie eine Weihnachtsgans ausgenommen"

Betrugsprozess am Landesgericht Eisenstadt
Von Gernot Heigl
In Handschellen aus der U-Haft vorgeführt bekannte sich der Burgenländer (35) mit türkischen Wurzeln für „nicht schuldig“. Bei der Befragung zu seinen Personalien erklärte er, dass er nach einem Konkursverfahren 100.000 Euro Schulden habe. „Das stimmt nicht“, unterbrach die Richterin: „Laut Akt sind es 400.000 Euro.“ „Aha. Ich wusste nicht, dass es so viel ist.“ Nicht der einzige Widerspruch in diesem Verfahren.
Laut Staatsanwalt, der dem einschlägig vorbestraften ledigen Vater eines Kindes mehrere Straftaten vorwarf, unter anderem schweren gewerbsmäßigen Betrug, habe dieser einen vertrauensvollen Kontakt zu einem ehemaligen Kunden seines Handygeschäftes aufgebaut. „Er war ihm beispielsweise bei Problemen mit Computer, Drucker, Internet und Mobiltelefon behilflich.“ Auf diese Weise habe er sich die Online-Zugangsdaten vom Bankkonto des 82-jährigen Opfers erschlichen.
Neben illegal durchgeführten Überweisungen und Barbehebungen wurde dem Pensionisten dann auch noch unter Vorspiegelung lukrativer Geschäfte mit Gold, ausländischer Währung und Autohandel weiteres Geld herausgelockt. In Summe an die 570.000 Euro.

Angeklagter und Anwalt vor Prozessbeginn.
Im Zuge des Prozesses vor einem Schöffensenat führte der Beschuldigte schließlich wortreich aus, dass alles mit dem Rentner ausgemacht war und dieser über sämtliche Transaktionen informiert war. „Gibt es für diese Geschäfte irgendwelche Unterlagen oder Belege?“, fragte die Richterin. „Nein, es war alles nur mündlich. Ein enges Vertrauen halt.“
„Sie behaupten unter anderem, 160.000 Euro in der Türkei in der Landeswährung angelegt zu haben. Da muss es doch einen Bankbeleg geben!“, hakte die Vorsitzende nach. „Ja, aber ich finde ihn nicht.“
Nein, es war alles nur mündlich. Ein enges Vertrauen halt.
auf die Frage der Richterin, ob es Belege gibt.
„Es gab für dieses Investment ihrerseits eine Zusage von acht Prozent Zinsen, stimmt das?“, warf Florian Astl ein, Anwalt des Opfers. „Ja, so ungefähr.“ „Dann sagen sie mir, warum mein Mandant so viel Geld riskieren soll, wenn er acht Prozent Zinsen bekommt bei einer Inflationsrate von knapp 50 Prozent?“ „Na ja, aber so war es. Ich sage die Wahrheit.“
Gold in der Türkei gekauft?
„Wie haben sie das Bargeld in die Türkei gebracht?“, fragte ein Schöffe nach. „Im Koffer im Flugzeug geschmuggelt. Das habe ich auch mit den 220.000 Euro gemacht, für die ich in der Türkei Gold gekauft habe. Das liegt dort in einem Safe, zu dem habe aber nur ich höchstpersönlich die Zugangsberechtigung. Ausschließlich ich bekomme das Gold. Ich kann es derzeit aber nicht holen, weil ich in Haft bin.“
Nach zahlreichen weiteren phantasievollen Erklärungen reichte es der Richterin. „Herr Angeklagter, sie müssen damit rechnen, dass ihnen der Senat kein Wort glaubt. Ihre Aussagen haben alle eine schiefe, eine katastrophale Optik. Sie erzählen hier lauter Geschichten. In Wahrheit haben sie einen alten Mann um sein lebenslang angespartes Vermögen gebracht. Haben sie eigentlich ein Gewissen? Nein. Sie haben kein Gewissen.“
Haben sie eigentlich ein Gewissen? Nein. Sie haben kein Gewissen.
zum Angeklagten
„Was ich sage, nämlich, dass alles abgesprochen war, das stimmt. Warum der Geldgeber jetzt alles bestreitet und lügt, weiß ich auch nicht“, so die Verantwortung des Beschuldigten. Im Zeugenstand widersprach dann das Opfer diesen „alles im Einvernehmen-Behauptungen" vehement. Davon könne keine Rede sein, im Gegenteil. Es habe sich um Falschinformationen und Täuschungen gehandelt beziehungsweise habe er viele Dinge gar nicht gewusst, schilderte der ehemals erfolgreiche Geschäftsmann und meinte: „Nein, der Angeklagte war kein Freund, ich war seine Cashcow (Melkkuh).“
Prozess vertagt, Angeklagter bleibt in Haft
Da der Staatsanwalt wegen einer aktuell bekanntgewordenen weiteren Straftat das Verfahren ausdehnte und sich dadurch der Strafrahmen von zehn auf 15 Jahre erhöhte, wurde der Prozess zur Anhörung eines neuen Zeugen auf Ende September vertagt. Bis dahin bleibt der Angeklagte in Haft.
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