75 Jahre Anschluss

Der jüdische Friedhof in Mattersburg soll heuer noch saniert werden. Das Geld stellt der Bund bereit, die Stadt hat sich verpflichtet, die Pflege für 20 Jahre zu übernehmen.
Anschluss 1938. Ein Ereignis, zu dem nur vereinzelt Veranstaltungen im Burgenland geplant sind.

Vor 75 Jahren, am 11. März 1938, übernahmen die Nationalsozialisten die Macht in Österreich. Der Ständestaat machte einem Terror-Regime Platz – von einem Tag auf den anderen wurde für politisch Andersdenkende und die jüdische Bevölkerung die bisherige Heimat ein (lebens)gefährlicher Ort.

In Österreich und auch im Burgenland ist das nicht unbedingt ein Gedenkjahr, bei dem alle aufzeigen und mitgestalten wollen. Abgesehen von einer Vortragsreihe der Burgenländischen Forschungsgesellschaft (siehe Artikel unten), die vom Land mitfinanziert wird, sind keine Veranstaltungen von offizieller Seite geplant.

Dacapo für Projekte

Allerdings verweist Dieter Szorger von der Kulturabteilung des Landes auf zwei Projekte, die seit Jahren laufen und 2013 fortgesetzt werden. Zum einen die Opfer-Datenbank, in der seit 2008 alle Opfer des Nationalsozialismus im Burgenland erfasst werden: Burgenländische Roma genauso wie Zwangsarbeiter aus dem Osten und Juden aus dem Burgenland.

Zum anderen die „Erinnerungszeichen“ (in Kooperation mit der Kultusgemeinde und dem Rechnitzer Verein RE.F.U.G.I.U.S.), die jüdische Friedhöfe als eine der wenigen übrig gebliebenen Spuren der jüdischen Geschichte des Landes in den Mittelpunkt rücken wollen.

Einerseits finden Führungen und weiterführende Projekte mit Schulklassen statt. Andererseits werden Langzeitarbeitslose im Rahmen einer Sozialmaßnahme zur Pflege der Gräber, um die sich ja keine Nachkommen mehr kümmern können, eingesetzt.

Von einem Denkmal für die jüdischen Opfer des NS-Regimes im Burgenland hält Szorger nicht viel: „Ich glaube, es ist sinnvoller, Geld in Projekte wie die ,Erinnerungszeichen’ zu stecken als in ein Denkmal aus Stein.“

Mattersburg

In Mattersburg, das eine der größten und wichtigsten jüdischen Gemeinden im Burgenland war, wird heuer der Friedhof bzw. das, was davon noch übrig ist, generalsaniert. Die Mittel dafür stellt der Bund bereit, die Stadt verpflichtet sich im Gegenzug, 20 Jahre lang die Pflege des Friedhofes zu übernehmen. Außerdem laufen Bemühungen, sich „nachhaltiger“ als bisher mit der eigenen Vergangenheit auseinander zu setzen, wie es der Amtsleiter, Karl Aufner, nennt.

Geplant ist auch, den Brunnenplatz – bis 1940 Standort des jüdischen Tempels – umzugestalten. Zeitplan gibt es dafür noch keinen, weil zuerst die Überarbeitung des Verkehrskonzepts abgeschlossen sein müsse, wie Aufner sagt.

Im Rahmen der beiden Vortragsabende zum Thema „Emigration und Flucht“, die von der Burgenländischen Forschungsgesellschaft (BFG) und dem Österreichischen Jüdischen Museum veranstaltet werden, kommen nicht nur Historiker, sondern auch Zeitzeugen zu Wort. So wird am 15. Jänner Marion Fischer (die Schwester des Jazz-Trompeters Oscar Klein) über das Schicksal ihrer Familie berichten, die aus Bad Sauerbrunn geflüchtet ist und über Italien in die Schweiz gelangte.

Am 22. Jänner wird ein Interview mit Hans Deutsch (2004 in Buenos Aires gestorben) gezeigt. Deutsch ist in Köszeg (Ungarn) aufgewachsen, überlebte den Südostwallbau im Südburgenland, Todesmarsch und KZ.

Was die Vertreibung der Juden im ersten Jahr des Anschlusses an das NS-Regime betrifft, nahm das Burgenland eine unrühmliche Vorreiterrolle ein. „Das gab es hier das erste Mal, dass größere Gruppen, zum Teil die gesamte jüdische Bevölkerung eines Dorfes, vertrieben wurden“, sagt Gert Tschögl von der Forschungsgesellschaft. So geschehen etwa in Deutschkreutz, Parndorf oder Kittsee, wo im April und Mai 1938 Juden in Bussen bzw. Lastwagen nach Wien oder über die Grenze gebracht wurden. Ihr Besitz – Geschäfte, Häuser, etc. – wurde geplündert. „So etwas war bis dahin einfach unvorstellbar“, meint der Historiker.

Man müsse mit der oft aufgestellten Behauptung, dass durch diese frühen Vertreibungen Burgenlands Juden „noch Glück im Unglück gehabt hätten“, aufräumen, betont Tschögl. Laut seiner Schätzung lebten Anfang 1938 rund 3900 Juden im Burgenland. 1230, fast ein Drittel, wurden ermordet.

Zurückgekehrt, um wieder hier zu leben, sind nur wenige, „vielleicht zehn Familien“, weiß Tschögl.

Dienstag, 15. Jänner, 18.30 Uhr, Die Schweiz als Ziel jüdischer Emigration; Dienstag, 22. Jänner, 18.30 Uhr, Jüdische Geschichte im Bezirk Oberwart und im angrenzenden Westungarn, Ort: jeweils Österreichisches Jüdisches Museum in Eisenstadt.

www.forschungsgesellschaft.at

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