11,6 Tonnen Rohtabak und 1,1 Millionen Euro Steuerschulden

Satte 11,6 Tonnen Rohtabak zur Zigarettenproduktion für den Schwarzmarkt, 1,1 Millionen Euro Steuerschuld, ein mysteriöser „Kevin“ und ein angeklagter Unternehmer, der gemäß dem Motto „Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts“ seine Ahnungslosigkeit untermauerte.
Mit schweren Geschützen fuhr die Staatsanwältin in ihrem Eröffnungsplädoyer auf. Sie sprach von Hausdurchsuchungen, dem Einsatz internationaler Sicherheitsbehörden und eindeutigen Beweisen gegen den Beschuldigten. Um dem ungarischen Unternehmer (57) dann Abgabenhinterziehung und das Finanzvergehen der verbotenen Herstellung von Tabakwaren für den Schwarzmarkt zur Last zu legen.
Im Zusammenhang mit illegalem Tabakhandel soll der Angeklagte, observiert und telefonisch überwacht von internationalen Sicherheitsbehörden, mehrere dubiose Personen aus Bulgarien und Kroatien getroffen haben. Dabei sei es – laut Erhebungsakten – zu Deals gekommen, sowohl bezüglich Rohtabak als auch in puncto einer Zigarettenproduktionsmaschine. Als Ziel der Waren galt eine vom ungarischen Geschäftsmann im Bezirk Mattersburg gemietete Lagerhalle.
"Der Chef hat das angeschafft"
Sichergestellt konnten dort von Polizisten, Zöllnern und Finanzfahndern tatsächlich 97 riesige Kartons mit 11,640 Tonnen Rohtabak werden, im Gesamtwert von rund 1,2 Millionen Euro. Auf die Frage der Vorsitzenden eines Schöffensenats im Landesgericht Eisenstadt, warum die Ware dort gelagert worden sei, meinte der Angeklagte: „Weil ich für eine slowakische Firma gearbeitet habe und mir der Chef das angeschafft hat.“ „Gibt es einen Grund dafür?“ „Ja, weil die Tabakkisten zu hoch für vorhandene Container in Bratislava waren.“
Wer ist „Kevin“?
„Wie hieß der Chef dieser Firma, also ihr Auftraggeber?“, hakte die Richterin nach. „Ich glaube … Kevin.“ Gut beraten von Anwalt Andreas Radel verneinte der Ungar in seinem stundenlang dauernden Prozess sämtliche Aktivitäten im Zusammenhang mit ungesetzlicher Tabakeinfuhr und illegaler Zigarettenproduktion. Bekannte sich daher für nicht schuldig und schob die Verantwortung für all das Geschehene auf diesen mysteriösen Kevin. Der zwar als Zeuge genannt war, zum Verfahren aber nicht erschienen ist.
Der angeklagte Unternehmer reduzierte sein Handeln auf logistische Arbeiten ohne Insiderwissen und machte vor dem Schöffensenat auch klar, dass er seine immens hohen Steuernachforderungen nicht verstehe. Immerhin verlangen die österreichischen Finanzbehörden 400.000 Euro, die ungarischen Stellen satte 700.000 Euro. „Warum von mir? Ich habe nur gemacht, was mir der Chef, also Kevin, angeschafft hat. Ich habe mit der ganzen Sache nichts zu tun.“
Bei dieser Behauptung blieb der Beschuldigte auch, als man ihm vorhielt, dass man bei einer Hausdurchsuchung in einer von ihm gemieteten Halle in Ungarn Hunderttausende Zigarettenfilter gefunden hat. Spontan entgegnete er: „Die waren zehn Jahre alt. Unbrauchbar. Kaputt. Wertlos. Eigentlich wollte ich sie verbrennen, aber das darf man nicht.“
Da der Schöffensenat keinen für eine Verurteilung notwendigen Vorsatz nachweisen konnte und auch konkrete Beweise für illegale Handlungen des Angeklagten fehlten, folgte ein Freispruch. Nicht rechtskräftig, da die Staatsanwältin keine Erklärung abgab.
Bleibt den ermittelnden Behörden wohl nichts anderes übrig, als diesen ominösen Kevin zu jagen. „So dieser Bösewicht überhaupt existiert“, meinte ein Fahnder zynisch.
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